OLG Karlsruhe zum Abgasskandal:
Fahrzeugkäufer kann von Volkswagen AG wohl Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verlangen.
(OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019, 13 U 142/18)
Nach vorläufiger Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe kann ein vom VW-Abgasskandal betroffener Fahrzeugkäufer von der Volkswagen AG als Herstellerin des Fahrzeuges wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung Schadenersatz in Form der Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen. Grundlage dafür sei, so die Richter aus Karlsruhe, § 826 BGB. Ebenfalls in Erwägung zieht das Gericht eine Haftung für einen Verrichtungsgehilfen aus § 831 BGB. Dies geht aus einem Hinweisbeschluss des OLG Karlsruhe vom 05.03.2019 hervor (Az.13 U 142/18).
Die mündliche Verhandlung über die Berufung ist in diesem Verfahren auf den 12.04.2019 terminiert.
Der Hinweis des OLG Karlsruhe, dessen Rechtssprechung hier bei uns im Markgräflerland maßgeblich ist, stimmt zuversichtlich. Nachdem das Landgericht Freiburg bereits im September 2018 einer Klage der Kanzlei im Rebland stattgegeben und VW zum Schadensersatz verurteilt hatte, besteht nun die berechtigte Hoffnung, dass auch das OLG Karlsruhe zugunsten der geschädigten Diesel-Käufer entscheiden und die Berufung von VW gegen das Urteil des LG Freiburg zurückweisen wird.
Klage der Kanzlei im Rebland gegen Volkswagen AG erfolgreich
VW-Dieselskandal – Landgericht Freiburg stärkt Rechte der Autokäufer
Der Unmut der Autofahrer gegenüber den Autoherstellern wächst. Sie sind verärgert, weil sie durch die Schummelsoftware, die teilweise in Fahrzeuge verbaut wurde, nun von den drohenden Diesel-fahrverboten betroffen sein könnten. Ferner fürchten sie einen massiven Wertverlust ihrer Pkw.
So ging es auch Mandanten der Kanzlei im Rebland, die sich zur Wehr setzten und den VW-Konzern auf Schadensersatz verklagten. Mit Erfolg: in einer aktuellen, noch nicht rechtskräftigen Entscheidung verurteilte das Landgericht Freiburg die Volkswagen AG zur Rücknahme des PKW, Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises (Landgericht Freiburg, Urteil vom 07.09.2018, 5 O 55/18, noch nicht rechtskräftig)
Nach den Feststellungen des Gerichts verbaute der VW-Konzern in dem betroffenen Pkw, einem VW Caddy, eine Software der Motorsteuerung, die erkennen kann, ob sich das Fahrzeug in einem Testzyklus auf dem Prüfstand oder im Realbetrieb befindet, und den Motor unterschiedlich steuert. Mit dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit einer solchen Abschaltsoftware habe VW sittenwidrig gehandelt. Der Konzern habe in großem Umfang und mit erheblichem Aufwand gegen wichtige gesetzliche Umweltvorschriften verstoßen.
Es ist zu erwarten, dass VW gegen dieses Urteil aus Freiburg Berufung einlegen wird. Bundesweit ist die Rechtsprechung zum VW-Dieselskandal noch uneinheitlich. Es gibt noch kein klärendes Urteil des Bundesgerichtshofes. Die neue Entscheidung macht jedoch Mut und stimmt zuversichtlich. Von daher sollten betroffene Diesel-Fahrer, auch wenn sie das Software-Update schon durchgeführt haben, nicht zögern, sich anwaltlich beraten zu lassen und gegebenenfalls ihre Rechte gegen den VW-Konzern geltend zu machen.
Hier die interessante Entscheidung im Volltext (anonymisiert, Layout geändert):
5 O 55/18
Landgericht Freiburg im
Breisgau
Im Namen des Volkes
U r t e i l
In dem Rechtsstreit
---, ---, 79415 Bad Bellingen - Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Kanzlei im Rebland, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen, Gz.: 86/17
gegen
Volkswagen Aktiengesellschaft, vertreten durch d. Vorstandsvorsitzenden ---, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg - Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte --- Kanzlei Dr. ---, Dr. --- Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, ---, ---, Gz.: VT1810336 wegen Schadensersatz
hat das Landgericht Freiburg im Breisgau - 5. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht --- als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2018 für Recht erkannt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 19.218,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.01.2018 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW Marke Volkswagen Caddy Maxi Fahrgestellnummer WV2ZZZ2KZCX021341 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Übernahme des vorgenannten PKW in Annahmeverzug befindet.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Klagepartei vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171 ,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 27.02.2018 zu zahlen.
4.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d
Die Klagepartei macht im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal gegenüber der Beklagten im Hinblick auf den Erwerb eines Fahrzeugs VW Caddy Maxi 1 ,6 TDI als Schadensersatz die Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs geltend.
Die Klagepartei erwarb mit verbindlicher Bestellung vom 18.03.2011 vom Autohaus --- GmbH zum Kaufpreis von 27.644,76 € (Rechnung K 12) ein Neufahrzeug der Marke VW Caddy Maxi 1 TDI, Fahrzeugidentifizierungsnummer WV2ZZZ2KZCX021341 , der von der Beklagten hergestellt wurde. In dem streitgegenständlichen Fahrzeug, das in der Emissionsklasse Euro 5 eingestuft ist, ist ein Dieselmotor des Typs EA 189 EU 5 eingebaut.
Das betroffene Fahrzeug verfügt über eine Software der Motorsteuerung, die angesichts verschiedener Umstände erkennen kann, ob sich das Fahrzeug in einem Testzyklus für die Abgasmessung im „Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ) auf einem Prüfstand befindet oder nicht, und den Motor unterschiedlich steuert. Für den Abgastest auf dem Prüfstand wird das Fahrzeug so betrieben, dass der Motor in einem Modus mit relativ hoher Abgasrückführung und einem niedrigen Stickoxidausstoß, der die Grenzwerte einhält, gebracht wird, während der Motor im realen Fahrbetrieb in einem geänderten Modus eine geringere Abgasrückführung mit einem höheren Stickoxidausstoß erzeugt.
Mit Bescheid des Kraftfahrzeugbundesamts (KBA) vom 14.10.2015 wurde die Beklagte verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 die aus Sicht des Bundesamts vorliegenden unzulässigen Abschaltvorrichtungen zu entfernen und nachzuweisen, dass nun die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden.
Mit Bescheid vom 03.11.2016 (Anlage B 1) hat das KBA die für das streitgegenständliche Fahrzeug von der Beklagten entwickelte technische Lösung durch Aufspielen eines Software-Updates freigegeben.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.12.2017 hat die Klagepartei gegenüber der Beklagten die Rückabwicklung geltend gemacht.
Das Software-Update wurde ohne Wissen und Zustimmung der Klagepartei auf das Fahrzeug am 16.01.2018 durch das Autohaus --- aufgespielt (vgl. Anl. 1 z. P. v. 29.06.18).
Unstreitig betrug der Kilometerstand zum Zeitpunkt letzten mündlichen Verhandlung 76.199 Kilometer.
Die Klagepartei macht geltend, das streitgegenständliche Fahrzeug sei bei Übergabe mit einem Mangel behaftet gewesen. Bei der verwendeten Software der Motorsteuerung handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Im tatsächlichen Betrieb erzeuge das Fahrzeug einen höheren Stickoxidausstoß als dies nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zulässig sei. Die Haftung der Beklagten auf Schadensersatz ergebe sich insbesondere aus Delikt. Der Vorstand der Beklagten habe gewusst, dass in Fahrzeuge mit dem streitgegenständlichen Motortyp EA 189 eine Software in die Motorsteuerung eingebaut wurde, die die Abgasrückführung auf dem Prüfstand anders als im realen Fahrbetrieb regelt, um die Abgasgrenzwerte einzuhalten. Die Beklagte müsse sich die Kenntnis ihres Vorstands über die manipulierte Software zurechnen lassen. Jedenfalls sei die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast zur Frage der Kenntnis des Vorstands von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware nicht nachgekommen. Die Manipulation ihrer unmittelbar handelnden Ingenieure müsse sie sich nach § 831 BGB zurechnen lassen. Ein ersetzbarer Schaden ergebe sich nicht nur aus einem Minderwert des Fahrzeugs infolge einer zu erwartenden Funktionsbeeinträchtigung oder fehlenden Zulassungsfähigkeit. Ein zum Ersatz verpflichtender Schaden bestehe schon in der unerwünschten Vertragsbindung, die einen zweckwidrigen Einsatz des Vermögens der Klagepartei darstelle.
Die Klagepartei beantragt nach übereinstimmender teilweiser Erledigungserklärung zuletzt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.218,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.01.2018 zu zahlen und zwar Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw Hersteller Volkswagenmodell Caddy Maxi Fahrgestellnummer WV2ZZZ2KZCX021341.
2.
Es wird festgestellt, dass ich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag Ziffer 1 genannten PKW in Annahmeverzug befindet.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1171 ,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, dass die verbaute Software eine unzulässige Abschalteinrichtung oder einen Mangel des Fahrzeugs darstelle. Die Beklagte habe die Klagepartei nicht getäuscht. Ihr Vorstand habe von der Entwicklung der manipulierten Software nichts gewusst und auch keine Kenntnis von deren Verwendung im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses gehabt. Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast seien nicht anwendbar. Die Beklagte meint außerdem, die Softwarekonfiguration bei Dieselmotoren des Typs EA 189 EIJ5 habe weder sittenwidrigen Zwecken gedient noch seien durch deren Verwendung Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB verletzt worden. Im Übrigen sei der Klagepartei auch kein Schaden entstanden. Durch das bereits Softwareupdate sei ein vorschriftsmäßiger Fahrzeugzustand hergestellt worden, ohne dass hierdurch Nachteile entstanden seien.
Das Gericht hat am 29.06.2018 mündlich verhandelt (Protokoll Aktenseite 315-329).
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst zugehöriger Anlagen und die übrigen Aktenbestandteile.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB in Höhe von 19.218,75 EUR Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des im Tenor näher bezeichneten Fahrzeugs.
1 .
Das Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit eingebauter Abschaltvorrichtung durch die Beklagte stellt ein sittenwidriges Verhalten dar.
a)
Objektiv sittenwidrig ist eine Handlung, die gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Wer bewusst täuscht, um einen anderen zu einem Vertragsschluss zu bringen, handelt in der Regel sittenwidrig (BGH, Urteil vom 21.12.2004, VI ZR
306/03, BGHZ 161, 361
b)
Das Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit Abschalteinrichtung war danach sittenwidrig. Denn die Beklagte hat in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufiwand gegen wichtige gesetzliche Umweltschutzvorschriften verstoßen. Andere Gründe als das Streben nach Gewinn sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen. Die Beklagte hat dabei nicht einfach nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der Abschaltvorrichtung zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist dieses Verhalten als Sittenverstoß zu bewerten.
2.
Der Klagepartei hat dadurch ein Fahrzeug mit der von der Beklagten eingebauten Steuerungs-Software erworben und daher einen Schaden erlitten.
a)
§ 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter ab: Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004, Az. Il ZR 402/02, juris). Es genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit (BeckOK BGB/Förster, BGB, 42. Edition, S 826 Rn. 25, beck-online). Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Geschäfts, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004, Az. Il ZR 402/02, juris; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014, Az.Vl ZR 15/14, juris; Harke, vuR 2017, 83, 90).
b)
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes hat die Klagepartei durch den Erwerb des Fahrzeugs mit der eingebauten Abschalteinrichtungen ein Schaden erlitten, weil sie ein Fahrzeug erworben hat, das nicht ihren Vorstellungen entsprach.
Die von der Beklagten verbaute Software führt - auch unabhängig vom europarechtlichen
Begriff der verbotene Abschaltvorrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 zu erheblichen Nachteilen für den Kunden. Zum einen entsprechen die Abgaswerte nicht jenen, die er aufgrund der Fahrzeugbeschreibung und der gesetzlichen Grenzwerte erwarten durfte. Zwar geht der Kunde insoweit davon aus, dass die bekanntermaßen unter Laborbedingungen ermittelten Werte im Alltagsbetrieb regelmäßig nicht erreicht werden können. Er erwartet jedoch nicht, dass diese normale Abweichung durch den Einsatz einer verbotenen Software erheblich vergrößert wird. Zum anderen besteht für den Kunden das rechtliche Risiko, dass die zuständigen Behörden den Einsatz der Software als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizieren und gegen den Betrieb des Fahrzeugs vorgehen.
Diese Sorge teilt offenbar auch die Beklagte, da sie Kunden mitteilt, dass den betroffenen Fahrzeugen die Stilllegung drohe, wenn die Nachrüstung nicht durchgeführt werde. Dass die Gefahr bestand, zeigt aber auch die spätere Entwicklung, insbesondere der Umstand, dass die Beklagte den Bescheid des KBA vom 14.10.2015, in dem die verbaute Software als verbotene Abschaltvorrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 eingestuft wurde, akzeptiert hat.
Es ist bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ein Neuwagenkäufer stillschweigend davon ausgeht, dass das erworbene Fahrzeug den gesetzlichen Vorschriften genügt und ohne Einschränkungen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf und dass diese Vorstellungen für seinen Kaufentschluss von Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1995 , Az. V ZR 34/94, juris; Harke, vuR 2017, 83). Es kommt daher nicht darauf an, ob im Verkaufsgespräch konkrete Äußerungen über die Umweltverträglichkeit stattgefunden haben.
c)
Dieses Ergebnis ist auch nicht unter Schutzzweckgesichtspunkten zu korrigieren.
Der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB folgt - anders als ein möglicher Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB - nicht unmittelbar aus dem Verstoß gegen die Verordnung, sondern aus dem Inverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeugs. Diese Verstöße sind für den Rechtskreis des Kunden ersichtlich von Bedeutung. Denn der Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften kann dazu führen, dass dem Fahrzeug behördliche Maßnahmen bis hin zur Stilllegung drohen.
3.
Bei der Beklagten haben auch die subjektiven Voraussetzungen des S 826 BGB vorgelegen.
a)
Der Schädiger braucht nicht im Einzelnen zu wissen, wer durch sein Verhalten geschädigt wird. Er muss nur die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken könnte, und die Art des möglichen Schadens vorausgesehen und gebilligt haben (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004, Az. II ZR 402/02 , juris)
Im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit ist ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich. Der Schädiger muss aber die Tatumstände kennen, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen (Palandt-Sprau, BGB, 77. Aufl. 2018, zu § 826 BGB Rn 8).
b)
Danach haben bei der Beklagten auch die subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB vorgelegen. Die Beklagte hat mit Schädigungsvorsatz gehandelt und kannte die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände.
(1)
Aus prozessualen Gründen ist der Entscheidung zugrunde zu legen, dass der Einbau der Abschalteinrichtung mit Wissen und Wollen des seinerzeitigen Vorstands der Beklagten erfolgte und somit der Beklagten gemäß § 31 BGB analog zurechenbar ist.
Die Klagepartei hat eine solche Kenntnis hinreichend substantiiert behauptet. Sie hat keinen Einblick in die inneren Abläufe der Beklagten und kann deswegen dazu nicht im Einzelnen vortragen. Prüfungsmaßstab ist damit lediglich, ob ihr Vortrag ohne greifbare Anhaltspunkte ins Blaue hinein erfolgt (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, vor § 284 Rn. 34). Dies ist zu verneinen, da es naheliegend ist, dass der millionenfache Einbau der Software nicht ohne Wissen des Vorstandes erfolgen konnte.
Die klägerische Behauptung hat die Beklagte nicht wirksam bestritten. Die Behauptung betrifft Umstände, die die interne Organisation der Beklagten betreffen und in welche der Klagepartei keinen Einblick hat. Die Beklagte konnte sich nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen. Sie musste sich vielmehr gemäß § 138 Abs. 2 und 4 ZPO im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage, Rn. 1898f; Zöller-Gerger, ZPO, 32. Aufl. 2018, vor § 284 Rn. 34; aA Kehrberger/Roggenkemper, EWiR 2017, 175, 176) im Einzelnen zu der Klageparteiischen Behauptung erklären. Dieser Verpflichtung, im Einzelnen darzulegen, auf wessen Veranlassung es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen ist und wer davon Kenntnis gehabt hat, ist die Beklagte nicht nachgekommen. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass ihr nach dem derzeitigen Stand ihrer internen Untersuchungen keine Erkenntnisse dazu vorlägen, dass Vorstandsmitglieder den Einbau der Software gebilligt hätten, genügt auch dies den Anforderungen an den Vortrag der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nicht. Zum einen fehlt es insofern an den detaillierten Vortrag dazu, was Gegenstand der Ermittlungen durch die Beklagten gewesen ist und was diese Ermittlungen im Einzelnen ergeben haben, was die ehemaligen Vorstände auf Frage ausgesagt haben, welche Unterlagen gesichtet worden sind und welches Ergebnis die Sichtung dieser Unterlagen im Einzelnen ergeben hat. Zudem war der Beklagten zwar - wie geschehen - ein gewisser Zeitraum für Erkundigungen einzuräumen, sie hätte sich jedoch nach Ablauf dieses Zeitraums abschließend und entsprechend ihrer sekundären Darlegungslast erklären müssen. Da die Beklagte dem nicht nachkommen kann oder will und stattdessen darauf verweist, dass die vorläufigen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien, ist der klägerische Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu behandeln.
(2)
Daher kannte Vorstand der Beklagten auch die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände.
4.
Dieser zunächst entstandene Schadensersatzanspruch der Klagepartei gegen die Beklagte ist auch nicht zwischenzeitlich erloschen, insbesondere auch nicht dadurch, dass auf das streitgegenständliche Fahrzeug mittlerweile ohne Wissen und Zustimmung der Klagepartei das Software-Update aufgespielt worden ist.
Selbst wenn das Update das Fahrzeug der Klagepartei in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzt haben sollte, liegt darin dennoch keine Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch der Klagepartei. Denn wie dargelegt, ist der
5.
Als Rechtsfolge kann die Klagepartei von der Beklagten im Rahmen des Schadensersatzes aus § 826 BGB die Rückgewähr des gezahlten Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen.
Im Rahmen des § 826 BGB richtet sich die Rechtsfolge des Schadenersatzanspruchs auf den Ersatz des sog. "negativen Interesses". Der Geschädigte hat einen Anspruch, so gestellt zu werden, wie er ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses stünde (vgl. Oechsler in Staudinger BGB, Neubearbeitung 2014, § 826, Rn. 153; Sprau in Palandt/BGB, 76. Auflage, 2017, § 826, Rn. 15; Einf. v. 823, Rn. 24). Die Beklagte muss die Klagepartei so stellen, wie sie ohne die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die nicht gesetzeskonforme Motorsteuerungssoftware gestanden hätte. Die Klagepartei ist daher so zu stellen, als wenn sie den schädigenden Vertrag nicht abgeschlossen hätte und hat folglich einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gegenüber der Beklagten. Der Kaufvertrag ist analog S 346 Abs. 1 BGB rückabzuwickeln und dem Klagepartei ist der Kaufpreis zurückzuerstatten, aber gemindert um die von der Klagepartei zu leistende Nutzungsentschädigung im Wege der Vorteilsausgleichung.
b)
Da die Nutzungen, die Fahrt mit dem PKW, nicht in Natur herausgegeben werden können, schuldet die Klagepartei hierfür entsprechend § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB Wertersatz. Die Nutzungen berechnen sich wie folgt: Bruttokaufpreis mal gefahrene Kilometer geteilt durch voraussichtliche Restlaufleistung (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. 2017, Rn. 1166, Rn. 3564). Das Gericht schätzt die Gesamtlaufleistung auf 250.000 km (§ 287 Abs. 1 ZPO analog). Die Laufleistung eines PKW ist von zahlreichen Faktoren abhängig, etwa Motorleistung, Nutzungsverhalten des Fahrers (kurze Fahrtstrecke oder lange Fahrtstrecke, Nutzungsverhalten kurz nach Start etc.). Dabei ist davon
auszugehen, dass Dieselfahrzeuge wie der im Streit befangene PKW durchschnittlich eine Laufleistung von 250.000 km haben.
Danach ergibt sich unter Berücksichtigung der vom Klagepartei gefahrenen Kilometer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung von 76.199 km ein Nutzungsentschädigungen in Höhe von 8.426,01 Euro.
c)
Die Klagepartei kann den Schadensersatz unter Anrechnung des Nutzungsersatzes nur Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen. Denn ihr dürfen neben dem Schadensersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben, die ihr durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Dem Prinzip der Vorteilsausgleichung wird in dem Fall, dass Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, durch den tenorierten Zug-um Zug-Vorbehalt Rechnung getragen (vgl. Grüneberg in Palandt/BGB, 76. Auflage, 2017, Vorb. v. § 249, Rn. 71; st. Rspr. des BGH, vgl. Urteil vom 23.06.2015 - XI 536/14, NJW
2015, 3160, Rn. 22 m. w. N.)
Il.
Die Klagepartei hat Anspruch auf gerichtliche Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte befindet sich mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug gemäß § 293 BGB. Die Klagepartei hat der Beklagten mit Schreiben vom 07.12.2017 (Anlage K4) die Rückgabe des Fahrzeugs angeboten. Ein wörtliches Angebot war gemäß § 295 S. 1 BGB ausreichend, da die Beklagte angesichts des einheitlichen Erfüllungsortes wie bei einem Rückgewährschuldverhältnis als Gläubigerin das Fahrzeug bei der Klagepartei als Schuldner gemäß § 269 Abs.l BGB abzuholen hat. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Klagepartei besteht, weil die Feststellung der erleichterten Vollstreckung des geltend gemachten Leistungsanspruchs dient und hierzu erforderlich ist, § 756 ZPO.
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte einen Anspruch Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten gemäß §§ 826, 249 BGB in Höhe von 1.171 EUR.
Die außergerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Klagepartei ist erforderlich und zweckmäßig gewesen, zumal es um die vorgerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber einem Weltkonzern ging.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten können nur aus einem Gegenstandswert geltend gemacht werden, der vorgerichtlich berechtigt gewesen ist, vorliegend also von 21.260,07 EUR. Angemessen ist eine 1 Geschäftsgebühr aus diesem Gegenstandswert.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 , 91 a ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Abs. 1 ZPO.
---
Richter am Landgericht
Verkündet am 07.09.2018
---, JAng te
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
[Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 138/2018]
Urteil vom 22. August 2018 - VIII ZR 277/16
Sachverhalt und Prozessverlauf:
Der Beklagte war von Januar 2009 bis Ende Februar 2014 Mieter einer Wohnung der Klägerin, die ihm bei Mietbeginn in nicht renoviertem Zustand und mit Gebrauchsspuren der Vormieterin übergeben worden war. Der von der Klägerin verwendete Formularmietvertrag sah vor, dass die Schönheitsreparaturen dem Mieter oblagen.
Am Ende der Mietzeit führte der Beklagte Schönheitsreparaturen durch, die die Klägerin als mangelhaft ansah und deshalb durch einen Malerbetrieb zu Kosten von 799,89 € nacharbeiten ließ. Wegen dieses Betrages begehrt die Klägerin – unter Verrechnung anderer zwischen den Parteien geltend gemachten Forderungen – Schadensersatz wegen nicht beziehungsweise mangelhaft durchgeführter Schönheitsreparaturen.
Der Beklagte hat sich auf die Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Urteil vom 18. März 2015 - VIII ZR 185/14; Pressemitteilung Nr. 39/2015) berufen, wonach eine Formularklausel, die dem Mieter einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergebenen Wohnung die Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich auferlegt, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.
Die Klägerin war demgegenüber der Auffassung, diese Rechtsprechung könne hier mit Rücksicht auf eine zwischen dem Beklagten und der Vormieterin im Jahr 2008 getroffene "Renovierungsvereinbarung" keine Anwendung finden. In dieser Vereinbarung hatte der Beklagte von der Vormieterin einige Gegenstände übernommen, sich zur Zahlung eines nicht näher festgestellten Geldbetrages verpflichtet und sich zur Übernahme der Renovierungsarbeiten bereit erklärt.
Die Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Dabei hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf die Erwägung gestützt, angesichts der Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der Vormieterin sei es interessengerecht, den Beklagten so zu behandeln, als habe ihm die Klägerin die Mietsache im renovierten Zustand übergeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Beklagte (unter anderem) sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und entschieden, dass eine Formularklausel, die dem Mieter einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergebenen Wohnung die Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich auferlegt auch dann unwirksam ist, wenn der Mieter sich durch zweiseitige Vereinbarung gegenüber dem Vormieter verpflichtet hat, Renovierungsarbeiten in der Wohnung vorzunehmen.
Nach der Rechtsprechung des Senats hält die formularvertragliche Überwälzung der nach der gesetzlichen Regelung (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) den Vermieter treffenden Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen im Falle einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt, der ihn so stellt, als habe der Vermieter ihm eine renovierte Wohnung überlassen. Denn eine solche Vornahmeklausel verpflichtet den Mieter zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters und führt dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsste, als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat.
Diese Grundsätze bleiben auch dann anwendbar, wenn der betreffende Mieter sich wie hier durch zweiseitige Vereinbarung gegenüber seinem Vormieter zur Vornahme von Renovierungsarbeiten in der Mietwohnung verpflichtet hat. Denn eine derartige Vereinbarung ist in ihren Wirkungen von vornherein auf die sie treffenden Parteien, also den Mieter und den Vormieter, beschränkt. Sie vermag deshalb keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der im Mietvertrag zwischen Vermieter und neuem Mieter enthaltenen Verpflichtungen zu nehmen; insbesondere nicht dergestalt, dass der Vermieter so gestellt würde, als hätte er dem neuen Mieter eine renovierte Wohnung übergeben.
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 307 BGB Inhaltskontrolle
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. […]
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist […]
§ 535 BGB Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags
(1) […] 2Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. […]
Vorinstanzen:
Amtsgericht Celle – Urteil vom 25. Mai 2016 – 14 C 1146/14
Landgericht Lüneburg – Urteil vom 16. November 2016 – 6 S 58/16
Karlsruhe, den 22. August 2018
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
Räumungsklage der Kanzlei im Rebland vor dem Amtsgericht Lörrach erfolgreich
Bemüht sich der Vermieter darum, die vermietete Wohnung zu verkaufen, darf der Mieter gegenüber Kaufinteressenten die Wohnung nicht in unsachlicher Weise schlecht machen; ferner darf er Besichtigungen nicht unzulässig stören oder unterbinden. Verstößt der Mieter gegen diese Pflichten, kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen. Dies hat das Amtsgericht Lörrach in einer interessanten Entscheidung klargestellt und der Räumungsklage eines Mandanten der Kanzlei im Rebland stattgegeben (Urteil vom 08.05.2018, 4 C 1407/17, noch nicht rechtskräftig).
Hier das (noch nicht rechtskräftige) Urteil im Volltext:
Aktenzeichen: 4 c 1407/17
Amtsgericht Lörrach
Im Namen des Volkes
U r t e i l
In dem Rechtsstreit
---, --- Straße ---, 79395 Neuenburg am Rhein
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen, Gz.: 71/17 gegen
1. ---, ---straße ---, --- - Beklagte -
2. ---, ---straße ---, --- - Beklagter -
Prozessbevollmächtigter zu 1 und 2:
Rechtsanwalt Dr. ---, ---straße ---, ---, Gz.: ---
wegen Räumung
hat das Amtsgericht Lörrach durch die Richterin Dr. --- aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2018 für Recht erkannt:
1. Die Beklagten werden verurteilt, die Wohnung im 1. Obergeschoss des Hausanwesens ---straße --- in --- ---, ---, bestehend aus vier Zimmern, einer Küche, einer Diele, einem Bad mit WC einem Balkon, einer Dusche mit WC und einem Kellerraum (von der Kellertreppe abwärts gesehen die 1. Türe links) zu räumen und in geräumtem Zustand an den Kläger herauszugeben.
2. Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 29.07.2018 gewährt.
3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 729,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.11.2017 zu zahlen.
4. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers hinsichtlich des Tenors Ziff. 1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 9.900,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss: Der Streitwert wird auf 7.080,00 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten über Räumung und Herausgabe der von den Beklagten bewohnten Wohnung.
Der Kläger ist Vermieter, die Beklagten sind Mieter der im Tenor bezeichneten Wohnung. Die im Jahr 2016 verstorbene Schwester des Klägers, deren Alleinerbe der Kläger geworden ist, schloss mit den Beklagten am 25.03.2006 einen Mietvertrag (Anlage K 1, AS 19 ff.). Das Mietverhältnis begann am 01.05.2006 und wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. In der Anlage zum Mietvertrag (Anlage K 2, AS 31) wurde unter anderem vereinbart, dass die Mieter sich an der Gartenpflege „in Form von anteiligem Rasenmähen, Heckenschneiden u.a." beteiligen. Der seit 02.02.2017 im Grundbuch als Eigentümer eingetragene Kläger beabsichtigt das Anwesen, das die Beklagten nach dem Tod der Schwester des Klägers zunächst allein bewohnten, zu verkaufen. Der Kläger hat die Beklagten mit verschiedenen Schreiben aufgefordert den Garten aufzuräumen und die dort gelagerten Sachen zu entfernen (Anlage K 4/2 - K4/4, AS 61 ff.). Die Beklagten kamen dem nicht nach. Die Beklagten wurden mit anwaltlichen Schreiben vom 21.03.2017 (Anlage K 5, AS 73 f.) abgemahnt. Eine erneute Abmahnung erfolgte am 12.04.2017 (Anlage K 6, AS 81). Der Kläger kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 31.05.2017, das den Beklagten am 01.06.2018 zugestellt wurde, ordentlich auf den 28.02.2018 (Anlage K 8, AS 93 f.). Die Kündigung wurde auf die Verletzung der Verpflichtung zum sorgfältigen Umgang mit der Mietsache und die Verhinderung der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gestützt. Die Beklagten haben der Kündigung mit Schreiben vom 20.06.2017 widersprochen (Anlage K 9, AS 101). Der Kläger hat das Mietverhältnis nochmals mit der Klageschrift zum nächst zulässigen Termin gekündigt. Die Beklagte haben der Kündigung unter Hinweis auf den angespannten Wohnungsmarkt und ihre familiäre Situation mit drei schulpflichtigen Kindern widersprochen. Der Kläger hat das Mietverhältnis mit Schriftsatz vom 15.12.2017 (AS 151) nochmals fristlos, hilfsweise ordentlich, unter Berufung auf Störungen der Besichtigungstermine gekündigt.
Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten sich auf dem gesamten Grundstück breit gemacht und den Garten vernachlässigt und diesen vollständig verwildern lassen. Insbesondere lagerten die Beklagten auf dem Grundstück verschiedene Gegenstände und Unrat (siehe im Einzelnen die Aufstellung in der Klageschrift AS 7, 11). Die Beklagten hätten zudem den Dachboden in Beschlag genommen, obgleich dieser nicht mit vermietet sei. In diesem Zustand sei das Grundstück unverkäuflich. Grundstücksinteressenten hätten schon bei Ansicht des Grundstücks das Interesse am Kauf verloren. Der Kläger habe auch bereits selbst versucht Abhilfe zu schaffen und das Grundstück aufzuräumen, der Beklagte Ziff. 2 habe dies dem Kläger aber verboten und mit Strafanzeige gedroht. Der Beklagte Ziff. 2 hätte zudem die Besichtigungstermine gestört und den Makler, den Zeugen ---, beschimpft und mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch gedroht. An einem weiteren Besichtigungstermin habe der Beklagte Ziff. 2 die Polizei gerufen, da dieser unangemeldet Gartenarbeiten vorgenommen habe und diese nur nach Absprache ausgeführt werden dürften. Die Beklagte Ziff. 1 habe sich zudem gegenüber mehreren Kaufinteressenten abfällig und negativ über das Haus geäußert. Der Kläger behauptet, er sei zudem an der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert. Der erforderliche Sanierungsaufwand könne vom Kläger selbst nicht getragen werden, weswegen er das Grundstück verkaufen wolle. Angesichts des Zustands der an die Beklagten vermieteten Wohnung und der Unsicherheit hinsichtlich der Entwicklung des Mietverhältnisses sei ein Verkauf bislang nicht geglückt. Zudem sei der Verkehrswert mit dem vorliegenden Mietverhältnis erheblich belastet.
Der Kläger beantragte zuletzt,
Die Beklagten beantragen,
Klageabweisung.
Die Beklagten sind der Auffassung, ein Kündigungsgrund sei nicht gegeben. Insbesondere liege keine Vernachlässigung der Gartenpflege vor. Die Beklagten seien nur zur Beteiligung an der Gartenpflege verpflichtet, eine konkrete Regelung welche Pflegearbeiten geschuldet seien, bestehe nicht. Eine Vermüllung des Grundstücks liege ebenfalls nicht vor. Die mit der Schwester des Klägers getroffenen Vereinbarungen, insbesondere zur Errichtung eines Parkplatzes und eines Freisitzes, aber auch zur Nutzung des Dachbodens, gälten fort. Daher sei es auch zulässig die zugehörigen Baumaterialien auf dem Grundstück zu lagern. Die Lagerung von Gegenständen sei mit Einverständnis der Schwester des Klägers erfolgt. Die Beklagten bestreiten, dass das Misslingen der Verkaufsversuche vornehmlich an den Beklagten liege und deren Verhalten Einfluss auf die Kaufinteressenten gehabt haben solle.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen ---, ---, ---, --- und des Zeugen ---. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2018 (AS 177), 22.02.2018 (AS 263 ff.) und 05.04.2018 (AS 389 ff.) Bezug genommen. Bezüglich des weiteren Parteivortrags wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die oben genannten Sitzungsprotokolle hingewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist zulässig und begründet.
l.
1. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nach § 546 Abs. 1 BGB zu. Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist jedenfalls durch die mit Schriftsatz vom 15.12.2017 formwirksam erklärte Kündigung beendet worden, § 542 Abs. 1 BGB.
a. Der Kläger ist nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB aufgrund des Verhaltens der Beklagten im Rahmen der Besichtigungstermine mit Kaufinteressenten zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt.
Nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung eines Mietverhältnisses vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens des Vertragspartners, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagten im Rahmen der Besichtigungen des Grundstücks mit Kaufinteressenten das Kaufobjekt in unsachlicher Weise schlecht gemacht haben und die Besichtigung in unzulässiger Weise zu unterbinden versucht haben. Hierin ist eine erhebliche Vertragsverletzung der Beklagten zu sehen, die dem Kläger einer Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar macht.
Insbesondere haben die Zeuginnen ---, --- und --- glaubhaft und übereinstimmend geschildert, wie die Beklagten im Rahmen der verschiedenen Besichtigungstermine ungefragt behauptete Mängel des Objekts mitgeteilt haben. Nach den übereinstimmenden und ohne Belastungseifer gemachten Angaben der Zeuginnen hat der Beklagte Ziff. 2 insbesondere vom Balkon aus gerufen, dass das Haus Schimmel aufweise und Mängel des Hauses mitgeteilt. So hat die Zeugin --- angegeben, dass der Beklagte Ziff. 2 die Kunden vom Balkon aus direkt angesprochen und behauptet hat, dass „alles verschimmelt sei und nichts gemacht werde". Zudem hat er sich nach den Angaben der Zeugin --- gegenüber dem Eigentümer, d.h. dem Kläger und dessen Lebensgefährtin sehr frech verhalten und damit einen schlechten Eindruck für die Kunden erweckt. Auch die Zeugin --- konnte zwar den genauen Ablauf nicht wiedergeben, hat sich jedoch erinnert, dass es zwischen Mieter und Vermieter unruhig gewesen ist und eine gewisse Spannung geherrscht hat. Die Zeugin --- hat zudem ebenfalls glaubhaft geschildert, dass der Mieter versucht hat vom Balkon herunter den Interessenten Mängeln mitzuteilen, so dass diese sich veranlasst sah, die Kunden zur Seite zu nehmen. Sie schilderte glaubhaft ihren Eindruck, dass die Beklagten keinen neuen Hausherr dulden wollten und das Ganze madig gemacht werden sollte. Die Zeugin --- hat diese Angaben bestätigt und erklärt, die Beklagten hätten vom Balkon her gebrüllt das Haus sei nicht in Ordnung und es wäre überall Schimmel. Sie schilderte glaubhaft ihren Eindruck, dass die Kaufinteressenten systematisch weggekelt werden sollten. Weiter hat der Zeuge --- glaubhaft geschildert, wie die Beklagten den potentiellen Kaufinteressenten untersagt haben, das Grundstück zu betreten und diese an manchen Terminen lautstark mit dem Worten „macht euch weg" oder man solle sich vom Acker machen aufgefordert haben zu gehen. Weiterhin hat der Zeuge --- glaubhaft geschildert, dass ihm von den Beklagten mit der Polizei gedroht worden sei. Die Einlassung der Beklagten, der Beklagte Ziff. 2 hätte den Zeugen --- lediglich gefragt, warum eine Besichtigung ohne Ankündigung erfolge, nachdem alle Kaufinteressenten schon weg gewesen seien, vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen.
Angesichts der unabhängig voneinander abgegeben und lebensnahen Schilderungen der Zeugen vom Ablauf der Besichtigungstermine ist das Gericht überzeugt, dass es zu den oben genannten Vorfällen gekommen ist. Hiermit haben die Beklagten ihre vertraglichen Pflichten in ganz erheblichem Maße verletzt. Zwar ist es den Beklagten unbenommen, auf Fragen potentieller Interessenten hin auf etwaige Mängel hinzuweisen. Das vorliegende lautstarke und unaufgeforderte mehrfache Eingreifen der Beklagten in die Besichtigungstermine auf dem Grundstück, auch unter Außerachtlassung der üblichen Höflichkeitsformen, stellt jedoch nach einer Gesamtschau der Beweisaufnahme im vorliegenden Fall eine erhebliche Verletzung der mietvertraglichen Pflichten dar, die den Vermieter zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt (LG Hannover, Urteil vom 02.06.1995 - 9 S 199/94 -, juris; Schmidt-Futterer/Blank, 13. Aufl. 2017, BGB § 543 Rn. 192). Dies auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des Umstands, dass versucht worden ist, Interessenten bereits das Betreten des Grundstücks und des Gartens zu untersagen. Hinsichtlich des Gartens sind die Beklagten ausweislich Ziff. 1 (3) des Mietvertrags lediglich zu einer Mitnutzung des Gartens als gemeinschaftliche Einrichtung berechtigt. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Besichtigungstermine angekündigt gewesen sind oder nicht, da dieser Umstand die Beklagten jedenfalls nicht zu den beschriebenen Verhaltensweisen berechtigt.
Vorliegend ist zudem erschwerend zu sehen, dass die von den Zeuginnen --- und --- geschilderten Vorfälle bereits im Frühjahr 2017 stattgefunden haben und diese Vorfälle auch Eingang in die qualifizierte mietrechtliche Abmahnung vom 21.03.2017 gefunden haben. Weiter ist zu sehen, dass bereits die mit Datum von 31.05.2017 ausgesprochene ordentliche Kündigung auch auf diese Vorfälle Bezug nimmt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt musste den Beklagten mithin klar sein, dass es nicht zu einer Wiederholung dieses Verhaltens kommen durfte. Auch eine qualifizierte Abmahnung nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB liegt mithin vor. Gleichwohl ist es zu einer Fortsetzung dieses Verhaltens im Rahmen der Besichtigungstermine mit dem Zeugen ---, die im November und Dezember 2017 stattgefunden haben, gekommen.
Hierbei kann es nicht darauf ankommen, ob ein Kaufvertragsabschluss ohne das Verhalten der Beklagten tatsächlich zustande gekommen wäre. Vielmehr ist ausreichend, dass die Beklagten durch ihr Verhalten zum Ausdruck bringen, die Verkaufsabsicht des Klägers nicht respektieren zu wollen. Das Verhalten der Beklagten ist offensichtlich nicht auf einen sachlichen Austausch oder auf eine Wahrung ihrer Interessen als Mieter ausgerichtet, sondern schwächt lediglich in unsachgemäßer Weise die Verkaufsposition des Klägers.
b. Damit kann offen bleiben, ob auch die mit Schreiben vom 31.05.2017 und mit der Klageschrift erklärten ordentlichen Kündigungen das Mietverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist nach § 573c BGB beendet hätten. Zum frühest möglichen Beendigungszeitpunkt der ordentlichen Kündigung, mithin zum 28.02.2018, war das Mietverhältnis bereits durch die ausgesprochene außerordentliche Kündigung beendet. Auf die Frage inwieweit die Unterlassung der Pflege des Gartens bzw. dessen Nutzung durch die Beklagten vorliegend ein Ausmaß erreicht hat, das eine erhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten darstellt, kann mithin dahinstehen (vgl. dazu LG Oldenburg, Urteil vom 30.06.1995 - 2 S 415/95 -, juris; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, S 535 Rn. 344 ff.). Demnach kommt es auch auf die streitigen Vereinbarungen zwischen den Beklagten und der Schwester des Klägers nicht an. Ebenso bedarf die Frage eines etwaigen Widerrufs einer Nutzungsgestattung des Dachbodens durch den Kläger keiner weiteren Erörterung (siehe dazu nur KG, Urteil vom 14.12.2006 - 8 U 83/06, BeckRS 2007, 1199; KG, Urteil vom 01.12.2008 - 8 U 121/08, BeckRS 2009, 2875). Offen bleiben kann mithin auch, ob die Voraussetzungen einer Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB gegeben sind.
2. Dem Kläger steht aus vorgenannten Gründen auch ein Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Gebühr aus dem Streitwert von 7.080,00 €, mithin i.H.v. 729,23 € nebst Zinsen zu, da bereits die vorgerichtliche ordentliche Kündigung auf das zur Kündigung berechtigende Verhalten der Beklagten im Rahmen der Besichtigungstermine bis zu diesem Zeitpunkt Bezug nimmt (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, 13. Aufl. 2017, BGB S 542
Rn. 105).
Il.
Den Beklagten war eine Räumungsfrist bis zum 29.07.2018 zu gewähren. Gemäß § 721 Abs. 1 ZPO kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. Die Bemessung der Räumungsfrist richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, wobei die Räumungsfrist nach § 721 Abs. 5 ZPO nicht mehr als ein Jahr ab Rechtskraft des Urteils betragen darf. (vgl. Seibel in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 721 ZPO, Rn. 6). Hierbei verkennt das Gericht nicht das erhebliche Erlangungsinteresse seitens des Klägers, auch angesichts des Umstands, dass die erste Kündigung bereits im Mai 2017 ausgesprochen worden ist und die Beklagten auch nicht dargelegt haben, sich seither um Ersatzwohnraum bemüht zu haben. Trotz dieser Umstände und unter Berücksichtigung des Verschuldens der Beklagten an der Kündigung des Mietverhältnisses war diesen in Anbetracht des Umstands, dass diese drei schulpflichtige Kinder haben, eine Räumungsfrist bis zum Beginn der Sommerferien zu gewähren, um diesen so eine geordnete Übergabe zu ermöglichen (vgl. LG Krefeld, Urteil vom 10. März 2010 —2 S 66/09 —, Rn. 41 , juris; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 13. Aufl. 2017, ZPO § 721 Rn. 24).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.7 und Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
(…)
Dr. --- Richterin
Verkündet am 08.05.2018
---, JAng'e
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
---
Sieg der Kanzlei im Rebland vor dem Oberlandesgericht Köln
Ist ein Wohnmobil (Neuwagen) mit Mängeln behaftet, erhält der Verkäufer den (anteiligen) Kaufpreis nur Zug um Zug gegen Beseitigung der Mängel. Ferner ist es das Risiko des Verkäufers, wenn ihm durch die vertraglich geschuldete Zulassung in der Schweiz zusätzliche Gutachterkosten entstehen; diese Kosten kann der Verkäufer nicht vom Käufer erstattet verlangen.
Das hat das OLG Köln nach über zweijährigem Rechtsstreit entschieden und der Berufung der Kanzlei im Rebland stattgegeben. Hier die rechtskräftige Entscheidung im Volltext:
19 U 97/17
Oberlandesgericht Köln
IM NAMEN DES VOLKES
U r t e i l
des Herrn ---, ---, 5454 Bellikon, Schweiz,
Beklagten und Berufungsklägers,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Kanzlei im Rebland, Jens Hugenschmidt, Eisenbahnstr. 7, 79418 Schliengen,
die ---gesellschaft (haftungsbeschränkt), vertreten durch den geschäftsführenden Gesellschafter ---, Straße ---, 51588 Nümbrecht,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte --- & Partner, ---, 50678 Köln,
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln
auf die mündliche Verhandlung vom 02.03.2018
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. ---, die Richterin am Oberlandesgericht --- und die Richterin am Landgericht ---
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 26.05.2017 verkündete
Schlussurteil des Landgerichts Bonn (10 0 239/15) wie folgt abgeändert:
D
D Das Versäumnisurteil vom 18.12.2015 wird teilweise aufrechterhalten und insgesamt wie folgt neu
gefasst: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 3.860,94 zu zahlen, Zug um Zug gegen Beseitigung folgender Mängel an dem Wohnmobil „SpaceCamper classic", VW T5, grün-metallic, Fahrzeugidentifikations-Nr.: ---, amtliches Kennzeichen AG---:
1) fehlende Bedienbarkeit des Warm-Kaltwassermischers an der Schwenkküche von Innen;
2) Spalt von bis zu 5 mm an der Innenverkleidung der C-Säule hinter der linken Schiebetüre zwischen Türdichtgummi und Säuleninnenverkleidung;
3) fehlende aktuellste Version der Navigations-CD „Volkswagen Navigation CY" (Folgeversion nach der Version vom 30.08.2011);
4) nicht ordnungsgemäße Reparatur der Farbabplatzungen an zwei Felgen; Reparaturrückstände durch Abklebespuren;
5) schief angebrachtes Riffelblech am hinteren Unterboden des Fahrzeugs;
6) Einbau von 4 kleineren Tanks anstatt einer Warmwasseranlage bestehend aus zwei Tanks — einem 40 l Kaltwassertank und einem 40 l Warmwassertank;
7) fehlende Lieferung der hinteren Fußmatten im Wert von 41 ,90 €
8) Austausch des Zeltbalges (Moskitonetz)
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 18.12.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
l.
Der Darstellung eines Tatbestandes bedarf es mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gemäß §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO nicht.
Die zulässige, da form- und fristgerecht eingelegte und begründete, beschränkte Berufung des Beklagten hat in vollem Umfang Erfolg. Das Versäumnisurteil vom 18.12.2015 ist teilweise aufzuheben und die Klage teilweise abzuweisen, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin Euro 1.350 für die Position „Gutachterkosten" zu zahlen, da die Klägerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz dieser Kosten gemäß §§ 677, 683, 670 BGB hat. Zudem liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das von dem Beklagten ausgeübte Zurückbehaltungsrecht auf den Riss im Zeltbalg (Moskitonetz) gestützt werden kann, so dass dieser Mangel ebenfalls in den Tenor aufzunehmen und das Urteil des Landgerichtes entsprechend abzuändern ist. Des Weiteren sind die Kosten des Rechtsstreits abweichend von der Kostenentscheidung des Landgerichtes der Klägerin aufzuerlegen.
1. Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Gutachterkosten ergibt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht aus §§ 677, 683, 670 BGB.
Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 677, 683, 670 BGB ist, dass jemand ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst berechtigt zu sein, er die Aufwendungen nach den Umständen für erforderlich halten darf und die Übernahme des Geschäftes dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprochen hat.
Vorliegend kann dahinstehen, ob die Klägerin mit dem Einholen der Gutachten (ausschließlich) ein Geschäft für einen anderen, nämlich den Beklagten, besorgt hat. Zweifel bestehen hieran vor dem Hintergrund, dass die Klägerin mit E-Mail vom 12.10.2012 mitgeteilt hat, dass sie im Gespräch mit einem Schweizer Partner von VB sei, um dessen Gutachten zu kaufen und „für Sie / uns" zu nutzen, so dass der Einwand des Beklagten, dass die Klägerin die Gutachten zu eigenen Zwecken eingeholt hat, durchaus beachtlich ist.
Jedenfalls hat der Tätigkeit der Klägerin ein Auftrag bzw. eine vertragliche Grundlage zugrunde gelegen. Die Klägerin hat sich durch den Vertrag vom 31.12.2011 zur Durchführung der Zulassung des Fahrzeuges für den Beklagten verpflichtet. Dementsprechend findet sich in dem Vertrag eine Position „Fahrzeugablieferung, Zulassung CH (Garage, MFK, Vignette, Tankfüllung) und Aufbereitung", für die Euro 990 berechnet werden. Die Zulassungskosten sollten dabei nach dem Klammerzusatz die Motorfahrzeugkontrolle (MFK) in der Schweiz umfassen. Bezüglich der Position „Luftfahrwerk", welche mit Euro 6.900 berechnet wird, findet sich der Zusatz, dass „gemäß Auskunft TÜV (...) als zulässiges Gesamtgewicht des Fahrzeuges 3.350 kg eingetragen (wird)".
Zwar bedeutet dies nicht in jedem Fall, dass auch die Kosten etwaiger Gutachten hiervon umfasst sein sollten. Jedoch ergibt sich unter Berücksichtigung der (vor Abschluss des Vertrages) gewechselten E-Mails, dass das streitgegenständliche Fahrzeug in der zwischen den Parteien vereinbarten Beschaffenheit in der Schweiz zugelassen werden sollte und konnte. So hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten vor Vertragsschluss in einer E-Mail vom 13.12.2011 (Anlage B1, BI. 181 GA) erklärt, dass sie gerade vom TÜV kämen und dass bei dem „Spacy" ein Gesamtgewicht von 3.350 kg eingetragen werden könne, bei einer Achslast von kleiner / gleich 1.700 kg, was in der Folge zu der Formulierung des Kaufvertrages in der Position „Luftfahrwerk" führte.
Bei einer Auslegung der E-Mail nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung von Treu und Glauben gemäß §§ 133,157 BGB lässt sich die Auskunft der Klägerin nur dahin gehend verstehen, dass die Zulassung des „Spacy" in der gewählten Ausführung einer Zulassung in der Schweiz keinen Bedenken begegnet und insbesondere auch keine Zusatzkosten für weitere Gutachten entstehen. Insoweit ergibt sich auch aus der E-Mail der Klägerin vom 12.10.2012 (Anlage B1, BI. 181 GA), dass verschiedene Gutachten für die Auflastung vorlägen, aber durch die MFK nicht anerkannt würden. Zwar wurde diese E-Mail nach Abschluss des Kaufvertrages verfasst, gleichwohl ergibt sich hieraus, dass die Notwendigkeit, für die gewählte Ausstattung Gutachten vorzulegen, der. Klägerin bekannt gewesen ist. Nach den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalles obliegt das (wirtschaftliche) Risiko, dass die vorliegenden Gutachten durch die Schweizer Behörden nicht anerkannt werden, der Klägerin, da sie in der vorprozessualen Korrespondenz objektiv den Eindruck erweckt hat, dass die Zulassung kein Problem sei.
Für dieses Auslegungsergebnis spricht im Übrigen auch, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten in der E-Mail vom 12.10.2012 nicht schon angesprochen hat, dass hierfür Kosten entstehen und diese von dem Beklagten zu tragen sind. Soweit die Klägerin schon von vornherein der Auffassung gewesen wäre, dass die Gutachterkosten von dem Beklagten zu tragen wären, hätte es nahe gelegen, den Beklagten über die voraussichtlich entstehenden Kosten zu informieren. Ebenso hat die Klägerin die Kosten der eingeholten Gutachten dem Beklagten nicht in Rechnung gestellt, sondern mit E-Mails vom 08.11.2012 und 15.11.2012 unter Hinweis auf die Rechnungen der Firma --- nachgefragt, ob und in welcher Höhe sich der Beklagte an den Kosten der Gutachten beteiligten möchte. Zwar mag es sein, dass die Klägerin die entsprechenden E-Mails im Hinblick auf die Kundenbindung verbindlich formuliert hat. Allerdings hätte es auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes nahe gelegen, auf einen aus gutem Willen erfolgten Verzicht auf einen bestehenden Anspruch hinzuweisen. Die Kosten der Gutachten in Höhe von Euro 1.350 waren daher von -dem mit Schlussurteil vom 26.05.2017 zugesprochenen Betrag von Euro 5.210,94 abzusetzen, so dass sich der Betrag auf Euro 3.860,94 reduziert.
Ein Mangel an dem Fahrzeug liegt mit der Beschädigung am Moskitonetz, welche der Sachverständige Steinacker in seinem Gutachten festgestellt hat, vor, da ein Kratzer im Netz ist und im Verlauf dieses Kratzers sich drei Beschädigungen des Netzes befinden, welche mit einer klebeartigen Masse provisorisch instand gesetzt worden sind. Zwar hat der Beklagte nicht bewiesen, dass der Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, wie § 434 BGB dies voraussetzt.
Der Sachverständige konnte zu dem Zeitpunkt der Beschädigung keine fundierten Angaben machen. Allerdings greift zugunsten des Beklagten die Beweislastumkehr des § 477 BGB ein.
Ein Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 BGB ist gegeben, denn der Beklagte hat als Verbraucher von der Klägerin als Unternehmerin eine bewegliche Sache gekauft. Zum einen hat der Beklagte im Rahmen der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit darauf hingewiesen, dass es sich um eine Verbrauchersache handele. Zum anderen handelt es sich bei dem Beklagten um eine natürliche Person, wobei nicht ersichtlich ist, dass der Kauf des „Spacys" anderen als privaten Zwecken dienen sollte.
Zwar trägt der Verbraucher die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass nach dem von ihm objektiv verfolgten Zweck ein seinem privaten Rechtskreis zuzuordnendes Rechtsgeschäft vorliegt (hierzu und zu Folgenden BGH, Urteil 30.09.2009 — VIII ZR 7/09 —, Rn. 11, juris, m.w.N.). Unsicherheiten und Zweifel aufgrund der äußeren, für den Vertragspartner erkennbaren Umstände des Geschäfts gehen indes nach der negativen Formulierung des Gesetzes nicht zu Lasten des Verbrauchers. Bei einem Vertragsschluss mit einer natürlichen Person ist grundsätzlich von Verbraucherhandeln auszugehen. Anders ist dies nur dann, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht des anderen Teils, eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist. Hierzu fehlt es an entsprechendem Vortrag der Klägerin.
Der Mangel am Moskitonetz hat sich auch innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe am 21.12.2012 gezeigt. Der gerügte Mangel war bereits in der Mängelliste vom 27.12.2012 enthalten. Darüber hinaus hat die Klägerin unter dem 01.02.2013, 28.03.2013 und dem 02.04.2013 mit dem Beklagten über die Beseitigung des Mangels korrespondiert, was unnötig gewesen wäre, wenn ihr der Mangel zu diesem Zeitpunkt nicht bereits mitgeteilt bzw. vorhanden gewesen wäre. Soweit die Klägerin insoweit darauf verweist, dass der Beklagte diesbezüglich eine Berichtigung des Tatbestandes hätte beantragen müssen und daher mit diesem Vortrag ausgeschlossen sei, so trifft dieser Einwand nicht zu: Das Landgericht hat im Tatbestand ausdrücklich auf die Mängelliste vom 21.12.2012 (BI. 190 GA) Bezug genommen hat, wodurch diese Teil des Tatbestandes wird. Unrichtig ist daher lediglich die Schlussfolgerung des Landgerichtes, weshalb Tatbestand und Entscheidungsgründe im Ergebnis widersprüchlich sind, und dem Tatbestand diesbezüglich keine Beweiskraft zukommt (Feskorn, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2017, S 314, Rn. 6)
Die Art des Mangels ist auch nicht unvereinbar mit der Vermutung. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass es sich um eine Beschädigung handelt, die nicht durch eine einfache Benutzung hervorgerufen worden ist (BI. 395 GA).
3. Auf die Berufung des Beklagten war zudem auch die Kostenentscheidung des Landgerichtes abzuändern, da die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz aufgrund des seitens des Beklagten zu Recht geltend gemachten Zurückbehaltungsrechtes der Klägerin aufzuerlegen sind. Im Fall der Verurteilung Zug-um-Zug ist gemäß § 92 Abs. 1 ZPO eine Kostenquote zu bilden, wobei der Kläger hierbei je mehr unterliegt, je mehr das Urteil hinsichtlich der Berücksichtigung der Gegenforderung von seinem Antrag abweicht (vgl. zu den Grundsätzen für die Kostenentscheidung im Rahmen einer Zug-um-Zug-Verurteilung: Schwarze, in: Staudinger (2015), BGB, § 322 BGB, Rn. 23). Aus diesem Grunde ist eine Quote auf Grundlage des der Klägerin zugesprochenen Betrages im Verhältnis zu dem Wert des Zurückbehaltungsrechtes zu bilden. Die Klägerin obsiegt mit einem Betrag von Euro 3.860,94. Der Wert des seitens des Beklagten ausgeübten Zurückbehaltungsrechtes wird seitens des Senates gemäß § 287 ZPO auf Grundlage der seitens des Sachverständigen ermittelten Beseitigungskosten bzw. den seitens des Beklagten mitgeteilten Werten für die Beseitigung entsprechender Mängel auf Euro 5.546,91 geschätzt. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, dass ihr für die Beseitigung etwaiger Mängel geringere Kosten entstünden und z. B. für Ersatzteile die Händlereinkaufspreise anzusetzen seien, so hat sie schon keine belastbaren Werte für die von ihr behaupteten geringeren Kosten angegeben, wobei es sich im Übrigen um in der Berufungsinstanz neuen Vortrag handelt und nicht dargetan oder sonst ersichtlich ist, dass die Voraussetzungen, unter denen dieses neue Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise zulässig ist, vorliegen. Abgesehen davon handelt es sich bei dem Zurückbehaltungsrecht um ein Sicherungsmittel, dessen Zweck es in erster Linie ist, den Schuldner davor zu schützen, einseitig leisten zu müssen, auf die Gefahr hin, die ihm gebührende Leistung nicht zu erhalten (BGH, Urteil vom 26.09.2013, VII ZR 2/13, Rn. 33, juris). Vor diesem Hintergrund ist es angemessen, auf die für den Beklagten entstehenden Mangelbeseitigungskosten abzustellen. Selbst wenn man von den geschätzten Mangelbeseitigungskosten in Höhe von Euro 5.546,91 einen erheblichen Abschlag für bei der Klägerin anfallende geringere Kosten vornehmen würde, erreichten diese im Übrigen immer noch den Wert des zugesprochenen Betrags, so dass die Kosten auch dann der Klägerin aufzuerlegen wären.
Im Einzelnen gilt für die Schätzung der Kosten der Mangelbeseitigung folgendes: Nach Mitteilung der Firma --- (Anlage B3, BI. 188 GA) entstehen für die Herstellung der Bedienbarkeit des Warm-Kaltwassermischer Kosten in Höhe von Euro 1.800. Ausweislich der Angaben des Sachverständigen ---. in der mündlichen Anhörung vor dem Landgericht sind für die Beseitigung des Spaltes der C-Säule Euro 884 aufzuwenden (BI. 391 GA). Die Navigations-CD ist mit einem Wert von Euro 189 anzusetzen (Angabe des Beklagten). Der Sachverständige hat für die Beseitigung der Farbabplatzungen an den Felgen einen Betrag von Euro 167,01 (BI. 392 GA unter Bezug auf Anlage K11, BI. 362 GA) ermittelt. Die Kosten für die Beseitigung des Mangels „schief angebrachtes Riffelblech", die der Sachverständige --- auf Euro 200 bis Euro 300 beziffert (BI. 393 GA), werden mit Euro 250 ausgerechnet. Die Kosten für den Einbau von vier kleineren Wassertanks sind auf Grundlage des seitens der Klägerin für die Wassertanks in Rechnung gestellten Betrags von Euro 1.490 auf (mindestens) Euro 745 zu schätzen. Die Fußmatten haben einen/Wert von Euro 41,90 (vgl. Angabe im Tenor). Für den Einbau eines mangelfreien Moskitonetzes ist umgerechnet ein Betrag von rund Euro 1.470 anzusetzen, da das Angebot der Firma --- als Richtpreis für das Auswechseln des Stoffbalges CHF 1.722 ausweist (Anlage B4, BI. 189 GA).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO (i.v.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
Berufungsstreitwert: Euro 2.915 (Gutachterkosten in Höhe von Euro 1.350 sowie von der Klägerin angegebene Kosten für das Moskitonetz in Höhe von Euro 1.565)
Bundesgerichtshof ändert Rechtsprechung zur fiktiven Schadensberechnung im Baurecht
Bessert der Auftragnehmer einen Mangel innerhalb der vom Auftraggeber gesetzten Frist nicht nach, kann der Auftraggeber die fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht als Schadensersatz geltend machen. Vielmehr richtet sich der Schaden nach dem Minderwert des Werks wegen des nicht beseitigten Mangels.
Dies hat der Bundesgerichtshof im Februar 2018 entschieden. Damit hat der BGH (von der Öffentlichkeit fast unbemerkt) seine bisherige, langjährige Rechtssprechung zu der Frage, wie im Falle von Baumängeln der fiktive Schaden des Bauherrn zu berechnen ist, geändert.
Grundsätzlich kann der Auftraggeber Schadensersatz in Geld verlangen, soweit er durch den Mangel einen Vermögensschaden erleidet. Lässt er den Mangel nicht im Wege der Selbstvornahme beseitigen, ist der durch den Mangel des Werks entstandene Vermögensschaden festzustellen und in Geld zu bemessen (vgl. Entscheidungsbesprechung in: NJW-Spezial, 2018, 204). Nach der neuen Entscheidung des BGH ist hierzu im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert des Werks ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert mit Mangel zu ermitteln. Der Auftraggeber erhält also einen Ausgleich für den Wertunterschied. Hingegen hält der BGH nicht länger an seiner Rechtsprechung fest, wonach dem Auftraggeber auch ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zusteht (Entscheidungsbesprechung in: NJW-Spezial, 2018, 204, mit Verweis auf BGH, NJW 2008, 436).
Hier die für die Praxis ausgesprochen bedeutende Entscheidung des BGH im Volltext:
BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17
BGB § 634 Nr. 2, 3 und 4, §§ 280, 281, 637, 638, 249 Abs. 1 A, Fa, Fb, Ha, Hb; VOB/B (2002) § 13
1. Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Unternehmer gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).
2. a) Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann den Schaden in der Weise bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Hat der Besteller die durch das Werk geschaffene oder bearbeitete Sache veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen.
b) Der Schaden kann in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB auch in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird. Maßstab ist danach die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses.
3. a) Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel beseitigen lässt, kann die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB ersetzt verlangen. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller Befreiung von den zur Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.
b) Darüber hinaus hat der Besteller, der Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB verlangt hat, grundsätzlich weiterhin das Recht, Vorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu fordern, wenn er den Mangel beseitigen will.
4. Auch im Verhältnis zum Architekten scheidet hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk aus.
5. a) Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks nicht beseitigen, kann er seinen Schaden gegenüber dem Architekten im Wege einer Vermögensbilanz nach dem Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert des Bauwerks bei mangelfreier Architektenleistung bemessen oder gegebenenfalls - bei Veräußerung des Objekts - nach dem konkreten Mindererlös.
b) Hat der durch die mangelhafte Architektenleistung verursachte Mangel des Bauwerks zur Folge, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses des Bauvertrags vorliegt, kann der Besteller stattdessen seinen Schaden auch in der Weise bemessen, dass er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers ermittelt.
6. a) Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks beseitigen, sind die von ihm aufgewandten Kosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB vom Architekten zu ersetzen. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller Befreiung von den eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.
b) Darüber hinaus hat der Besteller wegen Planungs- oder Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, einen Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags gegen den Architekten.
BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 - OLG Düsseldorf, LG Düsseldorf, Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Sacher und Dr. Brenneisen, für Recht erkannt:, Auf die Revisionen der Beklagten zu 1 und 5 und die Anschlussrevision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Januar 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 1 und 5 und zum Nachteil der Klägerin im Verhältnis zu den Beklagten zu 1 und 5 erkannt worden ist., Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisions- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
[1] Die Klägerin begehrt von den Beklagten zu 1 und 5 aus eigenem und aus abgetretenem Recht Schadensersatz wegen Mängeln an den im Außenbereich eines Einfamilienhauses verlegten Natursteinplatten.
[2] Die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehemann ließen ab dem Jahr 2003 ein viergeschossiges Einfamilienhaus in D. errichten. Sie beauftragten mit Vertrag vom 24. Juli 2002 den Beklagten zu 5 mit der Planung der Freianlagen und der Überwachung ihrer Herstellung sowie mit Vertrag vom 16./20. April 2004 unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Beklagte zu 1 mit der Ausführung der Naturstein-, Fliesen- und Abdichtungsarbeiten im Innen- und Außenbereich des Objekts. Die Streithelfer zu 1 und 2 waren mit der Gebäudeplanung betraut.
[3] Die Beklagte zu 1 ließ die Natursteinplatten des Typs "Crema Romano" und "Crema Romana", einen römischen Travertin, durch ihre Nachunternehmerin verlegen. Die Klägerin nahm die Arbeiten ab und bezahlte die im Jahr 2005 erstellte Schlussrechnung der Beklagten zu 1.
[4] Im Jahr 2007 zeigten sich erste Mängel der Natursteinarbeiten, die sich in der Folgezeit verstärkten. Es kam unter anderem zu Rissen und Ablösungen der Platten, zu Kalk- und Salzausspülungen, Farb- und Putzabplatzungen sowie zu starken Durchfeuchtungen des Putzes.
[5] Die Klägerin hat in der ersten Instanz von der Beklagten zu 1 unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 25 % wegen Planungsfehlern Vorschuss in Höhe von 91.792,58 € nebst Zinsen für die Durchführung der Mängelbeseitigung begehrt. Gegenüber dem Beklagten zu 5 hat sie Schadensersatz in Höhe von 122.390,11 € nebst Zinsen - in Höhe von 91.792,58 € als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 1 - geltend gemacht. Darüber hinaus hat sie Feststellung einer entsprechenden Ersatzpflicht der Beklagten zu 1 und 5 hinsichtlich aller weiteren, anlässlich der Mängelbeseitigung entstehenden Schäden begehrt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
[6] Während des Berufungsverfahrens veräußerte die Klägerin mit Kaufvertrag vom 17. August 2015 das Objekt. Sie hat in der Folge die Vorschussklage gegen die Beklagte zu 1 auf Schadensersatz in Höhe von 75 % der fiktiven Mängelbeseitigungskosten umgestellt. Den Feststellungsantrag haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt.
[7] Das Berufungsgericht hat auf die Berufungen der Beklagten zu 1 und 5 das erstinstanzliche Urteil insoweit abgeändert, als es jeweils die Umsatzsteuer auf die fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht zuerkannt hat. Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen hat es die Beklagten zu 1 und 5 als Gesamtschuldner zur Zahlung von 77.429,21 € nebst Zinsen, den Beklagten zu 5 zur Zahlung von weiteren 25.809,74 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen.
[8] Das Berufungsgericht hat die Revision zur Schadenshöhe zugelassen wegen der Frage, wie der Schaden zu bemessen sei, wenn der Besteller auf die Beseitigung des Werkmangels verzichte. Die Beklagten zu 1 und 5 haben uneingeschränkt Revision eingelegt mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung. Die Klägerin hat auf die Revisionen der Beklagten zu 1 und 5 Anschlussrevision eingelegt, soweit das Berufungsgericht abändernd die Klage (teilweise) abgewiesen hat. Der Senat hat die Revisionen der Beklagten zu 1 und 5 durch Beschluss vom 13. Dezember 2017 teilweise als unzulässig verworfen, soweit sie über die beschränkt zugelassene Revision hinausgegangen sind. Zugleich hat der Senat die von den Beklagten zu 1 und 5 vorsorglich eingelegten Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Berufungsgerichts zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe:
[9] Die im Umfang der Zulassung weiterverfolgten Revisionen der Beklagten zu 1 und 5 und die Anschlussrevision der Klägerin führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im tenorierten Umfang und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[10] I. Das Berufungsgericht hat soweit für das Revisionsverfahren von Interesse Folgendes ausgeführt:
[11] 1. Die Klägerin habe gegen die Beklagte zu 1 wegen der Mängel der Natursteinarbeiten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 77.429,21 € gemäß § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B (2002) in Verbindung mit §§ 398, 1922 BGB.
[12] a) Die Klägerin sei berechtigt, ihren Schaden auf Basis der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu bemessen. Sie könne abweichend von § 249 Abs. 1 BGB verlangen, dass der Schaden mit dem für die Mängelbeseitigung erforderlichen Geldbetrag abgegolten werde. Unerheblich sei, ob der zur Verfügung gestellte Betrag zur Mängelbeseitigung verwendet werde.
[13] Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der zu dem Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB a.F. die Ansicht vertreten habe, dieser erfasse die zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten und der Schädiger habe keinen Anspruch darauf, dass der Geschädigte das ihm als Schadensersatz gezahlte Geld zur Beseitigung des Schadens verwende (BGH, Urteil
vom 24. Mai 1973 - VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28). Im Jahr 2007 habe der Bundesgerichtshof erneut betont, dass der Besteller seinen Schadensersatzanspruch nach den Kosten berechnen könne, die für eine Mängelbeseitigung erforderlich seien (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83). In der Literatur werde zwar teilweise die Auffassung vertreten, dass sich jedenfalls seit der Schuldrechtsreform der Schaden an dem mangelbedingten Minderwert orientiere, wenn der Besteller auf die Beseitigung des Werkmangels verzichte (Halfmeier, BauR 2013, 320, 325). Indes finde diese Auffassung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang keine Stütze. Denn auch unter Geltung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes habe der Bundesgerichtshof in der sogenannten "Umsatzsteuer-Entscheidung" (Urteil vom 22. Juli 2010 VII ZR 176/09, BGHZ 186, 330) ausgeführt, dass der Schadensersatzanspruch nach Wahl des Bestellers entweder nach dem mangelbedingten Minderwert des Werks oder nach den Kosten berechnet werde, die für eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung erforderlich seien. Letzteres gelte unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Besteller den Mangel tatsächlich beseitigen lasse. Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Mängeln sei abweichend von § 249 Abs. 1 BGB nicht auf Naturalrestitution in Form der Mängelbeseitigung, sondern auf Zahlung eines Geldbetrags gerichtet. Das folge aus § 281 Abs. 4 BGB. Die Rechtslage unterscheide sich insofern nicht von derjenigen, die bis zum 31. Dezember 2001 gegolten habe. Bei der Schadensbemessung sei die berechtigte Erwartung des Bestellers zu berücksichtigen, den Schaden nach seiner Wahl nach den Kosten bemessen zu können, die eine Mängelbeseitigung erfordere, weil der Anspruch an die Stelle des geschuldeten Erfüllungsanspruchs trete.
[14] b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seien die fiktiven Mängelbeseitigungskosten einschließlich Regiekosten auf 100.844,26 € netto zu beziffern. Hinzu komme ein Anspruch auf Ersatz der gezahlten Privatgutachterkosten in Höhe von 2.394,69 € brutto.
[15] Da die Klägerin nicht (mehr) beabsichtige, Mängelbeseitigungsarbeiten vornehmen zu lassen, habe sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings keinen Anspruch auf Ersatz der insoweit nicht angefallenen Umsatzsteuer (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 176/09, BGHZ 186, 330).
[16] Danach sei die Höhe des Schadens gemäß § 287 ZPO auf insgesamt 103.238,95 € zu schätzen, so dass abzüglich eines Mitverschuldensanteils von 25 % wegen Planungsfehlern ein Zahlbetrag von 77.429,21 € verbleibe.
[17] c) Die Klägerin berufe sich demgegenüber ohne Erfolg auf einen Schaden in Höhe des erstinstanzlich zuerkannten Betrages. Sie habe sich, was sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausdrücklich erklärt habe, für eine Bemessung des Schadens nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten entschieden und könne daher die Umsatzsteuer nicht geltend machen. Dies könne sie nicht damit kompensieren, dass sie die Minderung des Verkehrswerts des Objekts als weitere Schadensposition anführe. Die Klägerin könne ihren Schadensersatzanspruch nach Wahl entweder nach dem mangelbedingten Minderwert des Werks oder nach den Kosten berechnen, die für eine Mängelbeseitigung erforderlich seien. Eine Kombination der Schadensberechnungsmethoden sei nicht möglich und berge die Gefahr der Überkompensation.
[18] 2. Die Klägerin habe ferner gegen den Beklagten zu 5 wegen mangelhafter Planung und Überwachung der Natursteinarbeiten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 103.238,95 € gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB. Wegen der Höhe des Schadens werde auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
[19] II. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
[20] 1. Klage gegen die Beklagte zu 1
[21] a) Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht und der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Senat steht rechtskräftig fest, dass die Klägerin gegen die Beklagte zu 1 dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes wegen der mangelhaften Natursteinarbeiten im Außenbereich des Einfamilienhauses in D. gemäß § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B (2002) hat. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung zur Höhe des Schadensersatzanspruchs kann das Berufungsurteil indes keinen Bestand haben.
[22] b) Ist ein Werk mangelhaft, kann der Besteller vom Unternehmer im VOB/B-Vertrag gemäß § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B und im Übrigen gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen.
[23] Wie der Schaden zu bemessen ist, ist indes weder in § 634 Nr. 4 BGB noch in §§ 280, 281 BGB geregelt. Aus § 281 Abs. 4 BGB ergibt sich lediglich, dass Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB nicht in der Form möglich ist, dass der Mangel beseitigt wird (Nacherfüllung) (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 176/09, BGHZ 186, 330 Rn. 10). Dies gilt auch für den VOB/B-Vertrag.
[24] Der Besteller, der sich dafür entscheidet, das mangelhafte Werk zu behalten, und Schadensersatz statt der Leistung geltend macht (kleiner Schadensersatz), kann vielmehr Ersatz in Geld verlangen, soweit er durch den
Mangel einen Vermögensschaden erleidet. Lässt er den Mangel nicht im Wege der Selbstvornahme beseitigen, ist der bereits durch den Mangel des Werks selbst entstandene Vermögensschaden festzustellen und in Geld zu bemessen. Die Bemessung kann im Wege der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO erfolgen. Sie hat sich am Leistungsinteresse des Bestellers zu orientieren. Denn der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB tritt an die Stelle des Anspruchs auf Leistung und ersetzt diesen.
[25] Verfahrensrechtlich ist für die Schadensbemessung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 6. November 1986 VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81, 86 f., juris Rn. 9 und vom 23. Januar 1981 V ZR 200/79, BGHZ 79, 249, 257 f., juris Rn. 27).
[26] c) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats stehen dem Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, zwei Möglichkeiten zur Verfügung, seinen Vermögensschaden zu bemessen.
[27] aa) Der Besteller hat die Möglichkeit, den Schaden nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen in der Weise zu bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt (vgl. BGH, Urteile vom 11. Oktober 2012 VII ZR 179/11, BauR 2013, 81 Rn. 10 = NZBau 2013, 99 m.w.N.; vom 8. Januar 2004 VII ZR 181/02, BauR 2004, 847, 850, juris Rn. 29 = NZBau 2004, 269 und vom 16. November 2007 - V ZR 45/07, NJW 2008, 436 Rn. 11 f. m.w.N.). Diese Art der Schadensbemessung ist ausschließlich auf Ausgleich des Wertunterschieds gerichtet.
[28] Hat der Besteller - wie hier im Laufe des Rechtsstreits - die durch das Werk geschaffene oder bearbeitete Sache veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen. Der Mindererlös wird typischerweise anhand der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der Sache ohne Mangel und dem gezahlten Kaufpreis ermittelt werden können. Da der Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache indiziert, entspricht der so ermittelte Mindererlös im Regelfall dem Minderwert der betroffenen Sache. Haben neben dem vom Unternehmer zu verantwortenden Mangel auch andere Mängel zu dem Mindererlös geführt, ist zu ermitteln, welcher Anteil des Mindererlöses auf den vom Unternehmer zu verantwortenden Mangel entfällt.
[29] Dem Besteller bleibt bei Veräußerung der Sache die Möglichkeit, den Schaden nach einem den konkreten Mindererlös übersteigenden Minderwert zu bemessen, wenn er nachweist, dass der erzielte Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache übersteigt. Denn der in Höhe des Minderwerts bestehende Schaden wird durch ein vom Besteller abgeschlossenes günstiges Geschäft grundsätzlich nicht gemindert. Nach den normativen von Treu und Glauben geprägten schadensrechtlichen Wertungen unter Berücksichtigung des in § 254 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Gedankens sollen dem Ersatzpflichtigen solche Vorteile grundsätzlich nicht zugutekommen, die sich der Ersatzberechtigte durch Abschluss eines - den Ersatzpflichtigen nicht berührenden - Vertrags mit einem Dritten erarbeitet hat (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 - VII ZR 271/14, BauR 2016, 852 Rn. 25 = NZBau 2016, 304 m.w.N.; ferner vom 19. September 1980 - V ZR 51/78, NJW 1981, 45, 46 f., juris Rn. 28). Wendet demgegenüber der Unternehmer ein, der Minderwert sei geringer, weil der erzielte Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache unter
schreite, ist der infolge der Veräußerung entstandene (höhere) Mindererlös insoweit nicht als Schaden zu ersetzen, als dem Besteller ein Verstoß gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung gemäß § 254 Abs. 2 BGB vorzuwerfen ist.
[30] bb) Der Senat hat dem Besteller bisher alternativ auch einen Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zugebilligt. Dabei handelte es sich nicht um die Zubilligung einer vereinfachten Form der Bemessung des mangelbedingten Wertunterschieds im Rahmen einer Vermögensbilanz (vgl. zu dieser Form der Bemessung BGH, Urteil vom 16. November 2007 V ZR 45/07, NJW 2008, 436 Rn. 12). Vielmehr war der Besteller danach stets berechtigt, bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit (§ 251 Abs. 2 Satz 1 BGB) Zahlung in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu verlangen, auch wenn diese den Minderwert im Vermögen des Bestellers überstiegen. Denn bereits der Mangel des Werks selbst sei - unabhängig von dessen Beseitigung - der Schaden, und zwar in Höhe dieser Kosten (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 28. Juni 2007 - VII ZR 8/06, BauR 2007, 1567, 1568, juris Rn. 12 f. = NZBau 2007, 580; vom 10. März 2005 VII ZR 321/03, BauR 2005, 1014, juris Rn. 11 = NZBau 2005, 390; vom 10. April 2003 VII ZR 251/02, BauR 2003, 1211, 1212, juris Rn. 13 = NZBau 2003, 375 und vom 6. November 1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81, 84 f., juris Rn. 6).
[31] Hieran hält der Senat jedenfalls für ab dem 1. Januar 2002 geschlossene Werkverträge nicht mehr fest. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
[32] (1) Der Besteller, der keine Aufwendungen zur Mängelbeseitigung tätigt, hat keinen Vermögensschaden in Form und Höhe dieser (nur fiktiven) Aufwendungen. Sein Vermögen ist im Vergleich zu einer mangelfreien Leistung des
Unternehmers nicht um einen Betrag in Höhe solcher (fiktiven) Aufwendungen vermindert. Erst wenn der Besteller den Mangel beseitigen lässt und die Kosten hierfür begleicht, entsteht ihm ein Vermögensschaden in Höhe der aufgewandten Kosten (Halfmeier, BauR 2013, 320, 322 f.).
[33] (2) Entgegen der bisherigen Auffassung kann die Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht damit begründet werden, dass der Mangel selbst der Vermögensschaden in Höhe dieser Kosten sei. Ein Mangel des Werks ist zunächst nur ein Leistungsdefizit, weil das Werk hinter der geschuldeten Leistung zurückbleibt (vgl. Knütel, BauR 2004, 591, 593). Auch wenn es gerechtfertigt ist, bereits dieses Leistungsdefizit mit der Folge der Störung des Äquivalenzverhältnisses als einen beim Besteller eingetretenen Vermögensschaden zu bewerten (vgl. dazu unten II. 1. c) cc)), ist damit gerade nicht geklärt, in welcher Höhe ein solcher Vermögensschaden besteht.
[34] Eine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bildet das Leistungsdefizit im Werkvertragsrecht - insbesondere im Baurecht - auch bei wertender Betrachtung nicht zutreffend ab. Vielmehr führt sie häufig zu einer Überkompensation und damit einer nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen (vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 9 f.) nicht gerechtfertigten Bereicherung des Bestellers. Denn der (fiktive) Aufwand einer Mängelbeseitigung hängt von verschiedenen Umständen ab, zum Beispiel von der Art des Werks, dem Weg der Mängelbeseitigung, dem Erfordernis der Einbeziehung anderer Gewerke in die Mängelbeseitigung, und kann die vereinbarte Vergütung, mit der die Parteien das mangelfreie Werk bewertet haben, (nicht nur in Ausnahmefällen) deutlich übersteigen. Er ist daher nicht geeignet, ein beim Besteller ohne Mängelbeseitigung verbleibendes Leistungsdefizit und die hierdurch eingetretene Äquivalenzstörung der Höhe nach zu bestimmen.
[35] (3) Auf den Gesichtspunkt der Überkompensation hat der Senat bereits in den Entscheidungen vom 22. Juli 2010 (VII ZR 176/09, BGHZ 186, 330 Rn. 14 f.) und vom 11. März 2015 (VII ZR 270/14, BauR 2015, 1321 Rn. 5 = NZBau 2015, 419) hingewiesen und im Hinblick darauf eine Ersatzpflicht jedenfalls in Höhe der Umsatzsteuer verneint, wenn diese wegen nicht durchgeführter Mängelbeseitigung nicht anfällt. Auch die Entscheidungen des Senats zum Schaden in der Leistungskette (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 1. August 2013 VII ZR 75/11, BGHZ 198, 150; Urteile vom 28. Juni 2007 - VII ZR 8/06, BauR 2007, 1567 = NZBau 2007, 580 und VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83; vgl. ferner Urteil vom 10. Juli 2008 - VII ZR 16/07, BauR 2008, 1877 = NZBau 2009, 34) sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Überkompensation durch Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten zu vermeiden suchen.
[36] In Fortführung dieser Rechtsprechung hält es der Senat für notwendig, den Umfang des Schadensersatzes statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB noch stärker daran auszurichten, welche Dispositionen der Besteller tatsächlich zur Mängelbeseitigung trifft. Dies entspricht dem Regelungskonzept des § 634 BGB, der das Leistungsinteresse des Bestellers schützt und den Ausgleich bei Verletzung daran orientiert, ob eine Mängelbeseitigung durchgeführt wird. Ersatz fiktiver Kosten für nicht getroffene Dispositionen scheidet danach aus.
[37] (4) Diese Erwägungen gelten im VOB/B-Vertrag entsprechend. Auch nach dem Regelungskonzept des § 13 VOB/B ist ein Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten aus den genannten Gründen abzulehnen.
[38] cc) Dem Besteller bleibt jedoch eine im Einzelfall unter Umständen einfachere Möglichkeit, auch ohne eine Vermögensbilanz seinen Vermögensschaden darzutun und zu bemessen, wenn er den Mangel nicht beseitigen lässt.
Denn er kann sich auf die Betrachtung des mangelhaften Werks selbst im Vergleich zu dem geschuldeten (also mangelfreien) Werk beschränken und aus einer Störung des werkvertraglichen Äquivalenzverhältnisses einen Anspruch ableiten.
[39] (1) Die Feststellung eines hierin liegenden Vermögensschadens und seine Bemessung sind - wie im gesamten Schadensrecht (vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 38 f.) - aufgrund einer Wertung vorzunehmen. Diese hat sich am Leistungsinteresse des Bestellers zu orientieren (vgl. oben II. 1. b)).
[40] Aus § 634 BGB folgt, dass sich der Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses des Bestellers, der das mangelhafte Werk behalten will, daran orientiert, ob er die Mängel beseitigen lässt oder nicht. Sieht der Besteller von der Mängelbeseitigung ab, kann er nach § 634 Nr. 3, § 638 BGB als Ausgleich für das verletzte Leistungsinteresse die Vergütung mindern. Diese Wertungen sind bei der Bemessung des Schadens im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB zu berücksichtigen. Denn der Besteller soll diesbezüglich durch die Wahl des - im Hinblick auf das Verschuldenserfordernis strengeren Voraussetzungen unterliegenden - Schadensersatzanspruchs nicht schlechter gestellt werden als im Fall der Geltendmachung des Rechts zur Minderung gemäß § 634 Nr. 3, § 638 BGB.
[41] Der Schaden kann deshalb in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird. Maßstab ist danach die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses. Die von den Parteien durch den Werkvertrag zum Ausdruck gebrachte Bewertung des (mangelfreien) Werks in Höhe der Vergütung rechtfertigt es, bereits das Ausbleiben der vollständigen (mangelfreien) Gegenleistung mit der Folge der Störung des Äquivalenzverhältnisses - unabhängig von einer objektivierten Bewertung durch einen "Markt" - als einen beim Besteller eingetretenen Vermögensschaden anzusehen.
[42] Der mangelbedingte Minderwert des Werks ist danach ausgehend von der Vergütung als Maximalwert nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu schätzen. Im Rahmen dieser - sich an § 634 Nr. 3, § 638 BGB anlehnenden - Schadensbemessung können die fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht als Maßstab herangezogen werden. Soweit dem Urteil des Senats vom 24. Februar 1972 (VII ZR 177/70, BGHZ 58, 181) entnommen werden kann, dass die Berechnung einer Minderung regelmäßig durch den Abzug fiktiver Mängelbeseitigungskosten erfolgen könne, hält der Senat auch hieran aus den bereits oben unter II. 1. c) bb) ausgeführten Erwägungen nicht fest. Dagegen kommt beispielsweise eine Schadensbemessung anhand der Vergütungsanteile in Betracht, die auf die mangelhafte Leistung entfallen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - VII ZR 181/00, BGHZ 153, 279, 284, juris Rn. 21 für die Ausführung mit minderwertigem Material). Ergeben sich die Vergütungsanteile nicht aus dem Vertrag, sind sie zu schätzen (vgl. zum Reisevertragsrecht BGH, Urteil vom 21. November 2017 - X ZR 111/16 Rn. 10; zu optischen Fehlern z.B. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 341; zu möglichen Schätzmethoden ferner Messerschmidt/Voit/Moufang/Koos, Privates Baurecht, 2. Aufl., § 638 BGB Rn. 24; Kapellmann/Messerschmidt/Langen, VOB Teile A und B, 6. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 386; Genius in jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 638 Rn. 18 a.E., 20; Staudinger/Peters/Jacoby, 2014, BGB, § 634 Rn. 113-115, jeweils m.w.N.).
[43] (2) Für den VOB/B-Vertrag ergeben sich insoweit keine Besonderheiten, die zu abweichenden Erwägungen führen. Der Umstand, dass die Minderung gemäß § 13 Abs. 6 VOB/B nur in den dort genannten Fällen möglich ist, hindert nicht die Geltendmachung eines an der Vergütung orientierten Minderwerts des Werks wegen des nicht beseitigten Mangels (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1982 - VII ZR 161/80, BauR 1982, 277, 279, juris Rn. 31 f.; vgl. auch Kapellmann/Messerschmidt/Langen, VOB Teile A und B, 6. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 392 m.w.N.)
[44] dd) Diese unter aa) und cc) dargestellten Möglichkeiten stellen eine vollständige und damit ausreichende Kompensation des Vermögensschadens des Bestellers dar, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigt.
[45] Die Zuerkennung eines Anspruchs auf Erstattung fiktiver Mängelbeseitigungskosten ist auch nicht notwendig, um dem Besteller, der vom Unternehmer Schadensersatz fordert, die Dispositionsfreiheit zu belassen, den Mangel (noch) selbst auf Kosten des Unternehmers zu beseitigen. Entscheidet der Besteller sich dafür, kann er eine vollständige, ausreichende Kompensation seines Vermögensschadens wie folgt erlangen:
[46] (1) Lässt der Besteller die Mängelbeseitigung durchführen, sind die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten, die er bei verständiger Würdigung für erforderlich halten durfte, nicht nur gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu erstatten. Der Besteller kann in diesem Fall die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten vielmehr auch als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB ersetzt verlangen (allgemeine Meinung, vgl. z.B. Messerschmidt/
Voit/Drossart, Privates Baurecht, 2. Aufl., § 634 BGB Rn. 87; für den VOB/B-Vertrag vgl. Kapellmann/Messerschmidt/Langen, VOB Teile A und B, 6. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 412, jeweils m.w.N.). Denn ihm ist in Höhe der Aufwendungen
ein Vermögensschaden entstanden, den er ohne das mangelhafte Werk nicht gehabt hätte. Der Umstand, dass er die Aufwendungen freiwillig erbracht hat, steht dem nicht entgegen. Er durfte sich hierzu aufgrund des Verhaltens des Unternehmers, der die ihm vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, sein mangelhaft abgeliefertes Werk nachzubessern (Nacherfüllung), nicht wahrgenommen hat, herausgefordert fühlen (Halfmeier, BauR 2013, 320, 323 f.). Auf den Ersatz eines geringeren Minderwerts muss er sich in diesem Fall, vorbehaltlich der Unverhältnismäßigkeit der Aufwendungen (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11, BauR 2013, 81 Rn. 11 = NZBau 2013, 99), nicht verweisen lassen.
[47] Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller zudem bereits Befreiung von den zur Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.
[48] (2) Darüber hinaus hat der Besteller, der Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB verlangt hat, grundsätzlich weiterhin das Recht, Vorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu fordern, wenn er den Mangel beseitigen will.
[49] § 281 Abs. 4 BGB steht dem nicht entgegen. Danach ist zwar der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, sobald der Besteller Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat. Der Besteller kann mithin nicht mehr Nacherfüllung gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB verlangen. Die Geltendmachung eines Vorschusses ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift jedoch nicht ausgeschlossen.
[50] Aus § 634 Nr. 2, § 637 BGB ergibt sich - anders als aus § 633 Abs. 3 BGB a.F. - nichts anderes. Danach entstehen das Selbstvornahmerecht und der Vorschussanspruch mit erfolglosem Ablauf der zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist, wenn nicht der Unternehmer die Nacherfüllung
zu Recht verweigert (§ 637 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB). Soweit aus § 637 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB abgeleitet wird, dass diese Rechte einen im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung noch bestehenden Nacherfüllungsanspruch voraussetzen und deshalb das Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes mit der Folge des § 281 Abs. 4 BGB weiter dazu führt, dass auch das Selbstvornahmerecht und der Vorschussanspruch erlöschen (vgl. z.B. Kniffka/Krause-Allenstein, Bauvertragsrecht, 2. Aufl., § 637 Rn. 10; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 637 Rn. 1), folgt der Senat dem nicht. Aus der Begründung zu § 637 BGB ergibt sich ein solcher gesetzgeberischer Wille nicht (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 266).
[51] Demgegenüber ist es nach Sinn und Zweck des Gesetzes gerechtfertigt, dem Besteller den Vorschussanspruch auch dann noch zuzubilligen, wenn er bereits Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes verlangt hat. Aus § 634 Nr. 2, § 637 BGB ergibt sich, dass der Schutz des Leistungsinteresses im Werkvertragsrecht einen Vorschussanspruch des Bestellers erfordert, um diesem Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung abzunehmen. Diese gesetzgeberische Wertung ist bei der Frage zu berücksichtigen, wie im Rahmen des Schadensersatzes ein möglichst umfassender Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses des Bestellers erreicht werden kann, der den Mangel beseitigen will. Denn der Besteller soll durch die Wahl des Schadensersatzanspruchs nicht schlechter gestellt werden (vgl. dazu bereits II. 1. c) cc)). Lässt der Besteller die Mängel beseitigen, umfasst der Schadensersatzanspruch - wie ausgeführt - die Erstattung der mit Durchführung der Mängelbeseitigung angefallenen Kosten. Da dem Besteller nach der gesetzgeberischen Wertung auch die Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung abgenommen werden sollen, ist ein umfas-sender Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses nur dann gewährleistet, wenn er - auch nach Wahl des kleinen Schadensersatzes - weiterhin Vorschuss verlangen kann, allerdings ohne die Möglichkeit, wieder auf den Nacherfüllungsanspruch zurückzukommen, § 281 Abs. 4 BGB.
[52] (3) Auch insoweit gilt für einen VOB/B-Vertrag nichts anderes.
[53] ee) Verfahrensrechtlich ist ein im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes erfolgender Wechsel der Schadensbemessung, der auf einer Änderung der Disposition des Bestellers zur Durchführung der Mängelbeseitigung beruht, gemäß § 264 Nr. 3 ZPO (gegebenenfalls in Verbindung mit § 264 Nr. 2 ZPO) nicht als Klageänderung anzusehen, sofern der Lebenssachverhalt im Übrigen unverändert ist. Das Gleiche gilt für den auf einer entsprechenden Änderung der Disposition beruhenden Wechsel vom Vorschussanspruch auf den Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes und umgekehrt.
[54] Verlangt etwa ein Besteller, der zunächst von der Mängelbeseitigung abgesehen und seinen Schaden nach dem Minderwert der mangelhaften Sache bemessen hat, nach durchgeführter Mängelbeseitigung nunmehr Schadensersatz in Höhe der aufgewandten Mängelbeseitigungskosten, liegt eine später eingetretene Veränderung vor, die die Anwendung des § 264 Nr. 3 ZPO rechtfertigt. Nichts anderes gilt, wenn der Besteller in dieser Konstellation vor Durchführung der Mängelbeseitigung auf den Vorschussanspruch zurückkommt. Bereits die Entscheidung, nunmehr die Mängel beseitigen und Vorschuss verlangen zu wollen, wird von § 264 Nr. 3 ZPO erfasst. Der Umstand, dass der Vorschuss zweckgebunden ist und abgerechnet werden muss, während der Schadensersatzanspruch grundsätzlich auf endgültige Abwicklung des Schadens
gerichtet ist, stellt sich als bloße Beschränkung des Klageantrags im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO dar. Soweit sich aus den Entscheidungen des Senats vom 11. November 2004 (VII ZR 95/04, BauR 2005, 386, 387, juris Rn. 7 = NZBau 2005, 151) und vom 13. November 1997 (VII ZR 100/97, BauR 1998, 369, 370, juris Rn. 11) etwas anderes ergibt, wird hieran nicht festgehalten.
[55] Hieraus folgt, dass es einem Besteller, der auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung noch Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht hat, nicht nur möglich ist, eine andere Form der Schadensbemessung zu wählen, sondern gegebenenfalls auch auf den Vorschussanspruch zurückzukommen.
[56] 2. Klage gegen den Beklagten zu 5
[57] a) Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht und der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Senat steht weiter rechtskräftig fest, dass die Klägerin gegen den Beklagten zu 5 dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung wegen mangelhafter Planung und Überwachung der Natursteinarbeiten im Außenbereich des Einfamilienhauses in D. gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB hat. Auch im Verhältnis zum Architekten kann das Berufungsurteil mit der gegebenen Begründung zur Höhe des Schadensersatzanspruchs indes keinen Bestand haben.
[58] b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schuldet der Architekt dem Besteller gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz wegen der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben. Bei dem gegen den Architekten gerichteten Schadensersatzanspruch wegen Mängeln des Bauwerks, die auf seine
Planungs- oder Überwachungsfehler zurückzuführen sind, handelt es sich der Sache nach um einen Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB, denn die Mängel des Bauwerks können nicht durch Nacherfüllung der Architektenleistung noch beseitigt werden. Mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 BGB kann Schadensersatz für Schäden beansprucht werden, die an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen eintreten (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2017 VII ZR 242/13, BauR 2017, 1061 Rn. 23 = NZBau 2017, 555 m.w.N.).
[59] Dieser Schadensersatzanspruch ist auf Zahlung eines Geldbetrags gerichtet. Hat der Architekt die von ihm geschuldeten Planungs- oder Überwachungsleistungen mangelhaft erbracht und hat der Besteller deswegen das bei einem Dritten in Auftrag gegebene Bauwerk nicht so erhalten wie als Ziel der vom Architekten geschuldeten Mitwirkung vereinbart, ist das hierdurch geschützte Interesse des Auftraggebers an einer entsprechenden Entstehung des Bauwerks verletzt. Der Schaden des Bestellers besteht darin, dass er im Ergebnis ein Bauwerk erhält, das hinter dem im Architektenvertrag als Ziel vereinbarten Bauwerk zurückbleibt. Für den sich daraus ergebenden Vermögensnachteil hat der Architekt Schadensersatz in Geld zu leisten. Nach § 249 Abs. 1 BGB muss der Architekt den Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn er nicht mangelhaft geleistet hätte. Hätte der Architekt die von ihm geschuldeten Architektenleistungen mangelfrei erbracht, wäre es dem Auftraggeber möglich gewesen, das Bauwerk wie gewünscht, insbesondere ohne Mängel, durch den Bauunternehmer entstehen zu lassen. Der Architekt hat dem Besteller als Schadensersatz daher die Mittel zur Verfügung zu stellen, die dieser zur Kompensation des verletzten Interesses benötigt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - VII ZR 242/13, aaO Rn. 24 m.w.N.).
[60] c) Auch im Verhältnis zum Architekten scheidet hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk aus.
[61] aa) Eine solche Bemessung lässt sich - ungeachtet der Ausführungen unter II. 1. - mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats, wonach ein Mangel selbst ein Vermögensschaden in Höhe der notwendigen Mängelbeseitigungskosten sei, ohnehin nicht begründen. Denn es geht im Verhältnis zum Architekten nicht um die Bemessung eines Mangelschadens, weil der Architekt nicht die Errichtung des Bauwerks selbst schuldet (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 1965 - GSZ 1/64, BGHZ 43, 227, 229 f., juris Rn. 10). Mängel des Architektenwerks sind nur die Defizite in Planung oder Überwachung.
[62] bb) Für die Frage, wie der durch die im Bauwerk verwirklichten Planungs- oder Überwachungsfehler (Mängel des Architektenwerks) verursachte Schaden vermögensmäßig zu bemessen ist, können die obigen Erwägungen betreffend das Verhältnis des Bestellers zum Bauunternehmer entsprechend herangezogen werden. Danach ist die Schadensbemessung auch im Verhältnis zum Architekten daran auszurichten, welche Dispositionen der Besteller zur Schadensbeseitigung trifft, und sie hat einen vollen Ausgleich bei Vermeidung einer Überkompensation zu erreichen.
[63] cc) Nach diesen Maßstäben gilt hinsichtlich dieser Schäden Folgendes:
[64] (1) Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks nicht beseitigen, kann er seinen Schaden im Wege einer Vermögensbilanz nach dem Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert des Bauwerks bei mangelfreier Architektenleistung bemessen oder gegebenenfalls - bei Veräußerung des Objekts - nach dem konkreten Mindererlös (dazu II. 1. c) aa)).
[65] Hat der durch die mangelhafte Architektenleistung verursachte Mangel des Bauwerks - wie hier - zur Folge, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses des Bauvertrags vorliegt, kann der Besteller stattdessen seinen Schaden auch in der Weise bemessen, dass er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers ermittelt (dazu II. 1. c) cc)). Denselben Vermögensschaden hat der Architekt, vermittelt durch den Mangel des Werks des Bauunternehmers, durch seine mangelhafte Architektenleistung verursacht und deshalb zu ersetzen.
[66] (2) Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks beseitigen, sind die von ihm aufgewandten Kosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Denn ihm ist in Höhe der Aufwendungen ein Vermögensschaden entstanden, den er ohne die mangelhafte Architektenleistung nicht gehabt hätte. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller zudem Befreiung von den eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.
[67] Hierin erschöpft sich der Vermögensschaden des Bestellers jedoch nicht. Er muss nunmehr auch Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung der Arbeiten am Bauwerk tragen, die ohne die mangelhafte Architektenleistung nicht entstanden wären. Nach § 634 Nr. 2, § 637 BGB werden dem Besteller im Verhältnis zu dem mangelhaft leistenden Bauunternehmer die Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung durch die Gewährung eines Vorschussanspruchs abgenommen. Diese für das Werkvertragsrecht getroffene Wertung des Gesetzgebers ist auch für Planungs- oder Überwachungsfehler des Architekten, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, zu berücksichtigen. Ein umfassender Ausgleich des verletzten Interesses des Bestellers im Rahmen des Schadensersatzanspruchs gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB wegen Planungs- oder Über-wachungsfehlern, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, erfordert danach auch die Überwälzung der Vorfinanzierung auf den Architekten in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags an den Besteller.
[68] (3) Architekt und Bauunternehmer haben insoweit gegenüber dem Besteller gemeinsam für die Mängel des Bauwerks und den hierdurch entstandenen Schaden (wegen §§ 254, 278 BGB gegebenenfalls in unterschiedlicher Höhe) einzustehen, wenn jeder von ihnen seine Pflichten mangelhaft erfüllt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 1965 GSZ 1/64, BGHZ 43, 227, 230 f., juris Rn. 12).
[69] 3. a) Zum Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB aus Kaufverträgen wegen des Mangels einer Kaufsache nehmen der V. und VIII. Zivilsenat (seit der Einführung eines Nacherfüllungsanspruchs im Kaufrecht zum 1. Januar 2002) an, dass ein Käufer seinen zu ersetzenden Schaden im Rahmen des kleinen Schadensersatzes auf der Grundlage der Mängelbeseitigungskosten unabhängig von einer Beseitigung des Mangels berechnen kann. Hierzu haben sie sich auf die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Bemessung des Schadens im Werkvertragsrecht nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bezogen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Juni 2012 V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 31; vom 4. April 2014 V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 33; vom 11. Dezember 2015 V ZR 26/15, BauR 2016, 1035 Rn. 21 und vom 29. April 2015 - VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 Rn. 12).
[70] Das veranlasst nicht, beim V. und VIII. Zivilsenat anzufragen, ob sie auch unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen an dieser Rechtsprechung festhalten möchten, und gegebenenfalls die Rechtsfrage dem Großen Senat für Zivilsachen vorzulegen, § 132 Abs. 2 GVG. Denn die Änderung der Rechtspre-chung des Senats beruht auf Besonderheiten des Werkvertragsrechts, die es auch dann rechtfertigen würden, die Bemessung des Schadensersatzes statt der Leistung im Werkvertragsrecht anders vorzunehmen, wenn für das Kaufrecht an der bisherigen Auffassung festzuhalten wäre.
[71] Einerseits sind die Gefahren einer erheblichen Überkompensation eines Schadens des Bestellers - wie die Erfahrungen in vielen Fällen zeigen - im Werkvertragsrecht deutlich größer als im Kaufrecht in Bezug auf den Schaden des Käufers. Das beruht vor allem darauf, dass es im Werkvertragsrecht regelmäßig schon faktisch nicht die Möglichkeit gibt, vergleichsweise kostengünstiger ein neues Werk herzustellen, als den Mangel am Werk zu beseitigen. Die Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 635 Abs. 3 BGB tritt zudem nur selten ein, weil sich ein Mangel des Werks üblicherweise an Sachen des Bestellers auswirkt und sich deshalb der (isolierte) Wert des mangelfreien Werks anders als im Kaufrecht (vgl. § 439 Abs. 4 Satz 2 BGB; BGH, Urteil vom 4. April 2014 V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 41 ff.) nicht einmal als Faustregel für einen Grenzwert der Unverhältnismäßigkeit eignet. Schließlich sind Werkverträge regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass ein individuell gewünschter Erfolg mit bestimmten vereinbarten Beschaffenheiten versprochen wird und zu erreichen ist; dabei muss nicht jedes Verfehlen dieses Ziels, also jeder Mangel im Sinne von § 633 BGB, ohne Weiteres im Markt überhaupt als vermögensrelevant angesehen werden. Das ist üblicherweise anders, wenn die Übereignung einer Sache im Mittelpunkt steht.
[72] Andererseits bedarf es im Werkvertragsrecht eines Anspruchs auf Erstattung fiktiver Mängelbeseitigungskosten auch nicht, um dem Besteller die Dispositionsfreiheit zu belassen, den Mangel (noch) selbst auf Kosten des Unternehmers zu beseitigen. Hier ist er ausreichend durch die Rechte der Vorschrift des § 637 BGB, die im Kaufrecht keine Entsprechung hat, vor allem auch durch den Vorschussanspruch des § 637 Abs. 3 BGB, geschützt (vgl. oben II. 1. c) dd)).
[73] b) Soweit gemäß § 249 Abs. 2 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch fiktive Kosten als Schadensersatz verlangt werden können, steht dies nicht in Widerspruch zur vorliegenden Entscheidung, bei der es nicht um die Beschädigung einer Sache geht.
[74] III. Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, soweit dort die Höhe des Schadens nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen worden ist. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Die Klägerin wird zunächst Gelegenheit bekommen müssen, ihren Schaden nach den oben ausgeführten Grundsätzen darzulegen.
Fristlose Kündigung eines LKW-Fahrers wegen Drogenkonsums
(Quelle: Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung Nr. 57/16 vom 20.10.2016)
Bundesarbeitsgericht
Ehrenamt und Arbeitnehmerstatus
(Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung Nr. 62/12 vom 29.08.2012)
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. August 2012 - 10 AZR 499/11 -